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Und dann kusste er mich

Und dann kusste er mich

Titel: Und dann kusste er mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dickinson Miranda
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sein, aber wenn sich Wren Malloy etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte nichts und niemand sie davon abbringen.
    »Wren, das Ganze ist gestern passiert. Er wird nicht da sein«, protestierte ich, als wir über die Kanalbrücke in die Innenstadt eilten.
    »Ich weiß. Aber vielleicht sind ein paar Leute da, die sich an ihn erinnern«, erwiderte Wren ungerührt, während sie einigen entgegenkommenden, mit Tüten beladenen Passanten auswich. »Du musst ihn dir genau vorstellen, damit du ihn beschreiben kannst.«
    Als die ersten Weihnachtsmarktstände in Sicht kamen, blieb ich stehen. »Wren, warte.«
    Sie sah mich an. Der Wind blies ihr die wilden rotbraunen Locken ins Gesicht. »Was ist los?«
    »Warum tust du das?«
    »Hä?«
    »Vor ein paar Minuten hast du ihn noch für einen durchgeknallten Psycho gehalten. Und dann zerrst du mich plötzlich an den Ort des Geschehens, als hinge dein Leben davon ab. Das verstehe ich nicht …«
    Sie holte tief Luft und lächelte mich an. »Du bist meine beste Freundin, und deshalb möchte ich dir helfen.«
    Aufrichtig gerührt lächelte ich zurück. »Danke.«
    »Und wenn wir den ganzen Ablauf noch einmal nachstellen, kriegst du ihn vielleicht wieder aus dem Kopf.«
    »Aha.«
    »Also, wo bist du ihm begegnet?«
    Ich sah mich um. Der Weihnachtsmarkt erschien mir auf einmal wie ein märchenhaftes Zauberland: Die bun ten Lichterketten an den Ständen spiegelten sich im feuchten Pflaster der Straße, während die Lichter des herumwirbelnden Karussells in den Fenstern der umliegenden Gebäude aufblinkten. Die Temperatur war seit gestern gesunken, und über den festlich geschmückten Marktständen tanzten winzige Schneeflocken. Im ersten Moment fiel es mir schwer, mich zu orientieren.
    »Ich glaube, es war irgendwo am Anfang des Kunsthandwerksbereichs«, antwortete ich. »Zumindest hat er mich dort geküsst. Die Bude, die ich demoliert habe, ist weiter unten an der New Street, weil ich danach ein Stück gelaufen bin. Aber irgendwie ist meine Erinnerung ziemlich verschwommen.«
    »Gut, fangen wir beim Kuss an und arbeiten uns dann zurück«, schlug Wren vor. »Wo genau war der Kuss?«
    »Neben einem Stand mit Glasweihnachtsschmuck.«
    Wir gingen an Ständen mit knallbunten Pelzhüten, Schmuck, feinen Seidenschals und Kerzen vorbei, bis Wren plötzlich einen Schrei ausstieß und mich am Arm packte: »Dort!«
    Mein Herz begann zu rasen, als wir uns dem Stand näherten. Erinnerungen an die besorgten Fragen des Fremden, an seinen Atem auf meinem Gesicht und an diesen Kuss stürmten auf mich ein. Die große tränenförmige Christbaumkugel hing noch an ihrem silbernen Zweig, der in dem mattgoldenen Topf auf der Theke stand – genau wie gestern, als mir der Fremde hierhin gefolgt war. Schauer liefen mir über den Rücken, als ich die glatte Oberfläche der Glaskugel berührte.
    »Ich stand hier und habe mir diese Kugel angesehen, als er hinter mir auftauchte.« Ich schloss die Augen, hörte wieder das warme Timbre seiner Stimme an meinem Ohr und spürte die leichte Berührung seiner Hand auf meiner Schulter.
    Wren hatte sich bereits der Standbetreiberin zugewandt: »Verzeihung?«
    »Ja, Kindchen?«
    »Das hört sich jetzt sicher komisch an, aber wir suchen einen Mann.«
    Die Frau hinter der Theke brach in ein rasselndes Gelächter aus, das auf jahrzehntelangen Nikotinkonsum hindeutete. »Tun wir das nicht alle, Schätzchen? Ich wünsch’ mir auch einen zu Weihnachten, was, Sylv?«
    »Oh ja, Aud«, erwiderte die kleinere Frau neben ihr, die in so viele Wollschichten gehüllt war, dass sie einem freundlichen alten Schaf ähnelte.
    »Nein, das verstehen Sie falsch«, fuhr Wren unverdrossen fort. »Wir suchen nach einem besonderen Mann, der …«
    »Das ist die Unbekümmertheit der Jugend«, erwiderte Sylvia grinsend. »Wenn Sie mal in unserem Alter sind, Kindchen, dann sind die Kerle, die nichts Besonderes sind, die einzigen, die man eventuell noch abkriegt!« Die beiden Damen brachen erneut in rasselndes Gelächter aus, und Wren drehte sich mit hilflosem Achselzucken zu mir um.
    »Es war gestern«, erklärte ich. »Ich habe mir diese Kugel hier angesehen, und dann ist ein junger Mann dazugekommen. Er war ungefähr eins achtzig groß, hatte rostbraunes Haar und trug einen grün-braun-beige gestreiften Schal.«
    Stirnrunzelnd beugte sich Audrey über die fragilen Glasgebilde hinweg zu mir. »Um welche Uhrzeit war das?«
    Ich rechnete nach. »Kurz nach zwei, glaube ich.«
    Audrey sog geräuschvoll

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