und das Goldene Dreieck
vielleicht kann ich mir nun einen Laden in Chiang Säen leisten und brauche nicht mehr Teakholz zu schmuggeln!« Er strahlte sie glücklich an. »Es ist eine Welt voller Wunder, nicht wahr? Voll Pfa'-Geister und sonstige Geister und Nagas, die um uns waren! Und wer hätte gedacht, wir würden es überleben und wir würden am Flughafen von Chiang Rai stehen können? Sie haben gute Geister, die Sie beschützen!«
»Meinen Sie?« fragte Cyrus amüsiert.
»O ja! Und wir haben ganz besonders großes Glück, denn wir haben Wen Sa gesehen und sind nicht gestorben!«
»Eine Geschichte, die Sie in Ihrem Dorf erzählen werden?« fragte Mrs. Pollifax lächelnd.
»Mit vielen Ausschmückungen!« versicherte er ihr gemessen. »Ein riesiger Farang, der Sardinendosen herumträgt, befreit von den Bösen durch eine Zauberin, die gewiß selbst ein Geist ist...«
»So werden Sie die Geschichte erzählen?«
»Natürlich!« Er grinste.
Sie lächelte ihn an. Plötzlich erinnerte sie sich an ihren ersten Eindruck, an ihr Mißtrauen und ihre Zweifel, und wie geduldig er ihr gegenüber gewesen war und wie verläßlich. Verschiedene Bilder zogen an ihrem inneren Auge vorbei: Bonchoo, wie er im Akha-Dorf entspannt eine Zigarre rauchte; Apha, die glücklich auf einen Lippenstift, einen Taschenspiegel und einen Satz Sicherheitsnadeln blickte; ein empörter Amerikaner, den man für Cyrus gehalten hatte. Sie dachte an Oberst Lu; an Mornajays ungewöhnliche Bergwanderung; vor allem aber dachte sie an einen Tempel im Dschungel mit drei verträumten Buddhas und einem heiligen Mann. »Dann also auf ein baldiges Wiedersehen«, sagte sie, und zu ihrem Staunen umarmte Bonchoo sie.
»Ja, kommen Sie bald! Aber jetzt auf nach Bangkok.«
»Um zu schlafen.« Sie nickte.
»Mindestens zwei Tage lang«, fügte Cyrus lächelnd hinzu. Und dann gingen sie hinaus auf die Rollbahn, wo das Flugzeug bereits wartete.
Aber Mrs. Pollifax beabsichtigte nicht, am nächsten Tag lange zu schlafen, denn sie hatte noch etwas Wichtiges vor. So erwachte sie am nächsten Morgen, wieder im Oriental, schon um sieben Uhr. Eine Weile blieb sie ruhig liegen und genoß das Wunder, daß Cyrus neben ihr schlief. Vorsichtshalber drehte sie den Kopf - ja, er war da! Leibhaftig! Behutsam, um ihn ja nicht zu wecken, glitt sie aus dem Bett. Sie schaute aus dem Fenster auf den Strom. Irgendwo da unten lag die Terrasse, und während sie sich ankleidete, dachte sie an den Tag vor einer Ewigkeit, als sie sich eingebildet hatte, in ein paar Stunden zurück zu sein und wieder die Boote und Ausflugsschiffe auf dem Fluß beobachten zu können. Nun waren sie zurück, allerdings fünf Tage später und um einiges klüger. Doch die Hauptsache war, daß sie hier waren.
Wie seltsam das Leben sein kann, dachte sie. Sie nahm den Reiseführer aus Cyrus' Koffer und setzte sich. Sie studierte das Register und schlug schließlich eine bestimmte Seite auf. Wie sie feststellte, hatte sie eine Auswahl, doch sie notierte sich nur eine der Adressen: Die am leichtesten erreichbare. Dann schrieb sie einen Zettel für Cyrus: BIN BALD ZURÜCK, und lehnte ihn auf die Kommode an der Wand, dann stahl sie sich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer.
Als sie aus dem Fahrstuhl stieg, bog sie nicht nach rechts zur Terrasse, sondern trat durch die Glastür zum Taxistand. Der elegant livrierte Portier rief einen Wagen für sie herbei. Sie nannte die Adresse - Wireless Road 95 - und ersuchte den Portier, den Chauffeur anzuweisen, dort auf sie zu warten.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Am Ziel angekommen, betrat sie das Grundstück der U.S.-Botschaft, wo der Duft von Blumen und frisch gemähtem Gras sie begrüßte. Sie blieb kurz stehen, um Jasmin und Bougainvilleen zu bewundern, doch vor sich sah sie bereits, weshalb sie hierhergekommen war, so eilte sie ungeduldig darauf zu. Es handelte sich um eine Bronzestatue nahe dem Weg, die von einem Beet mit bunten Blumen umgeben war. Als sie näherkam, schien dieses Standbild auf sie herabzublicken; wie die drei Buddhas, dachte sie. Als sie sie erreichte, las sie auf der Gedenktafel, daß diese Statue zu Ehren John Lloyd Matthews errichtet war und ihn darstellte. Jetzt erst schaute sie zum Gesicht hoch. Bronze ist so ganz anders als ein lebender Mensch, dachte sie. Mehrere Minuten betrachtete sie das Gesicht zweifelnd, denn der Künstler hatte die Figur in die Ferne schaue n lassen und sie wirkte steif und förmlich. Die Züge waren vage ähnlich, aber der Kopf des Bronzemannes war nicht
Weitere Kostenlose Bücher