Und der Basilisk weinte (German Edition)
Missfallen der alten Herren, die es gerne gesehen hätten, wenn einer ihrer Schützen das Maximum erreicht hätte. Borer atmete tief durch, setzte sich aufrecht und begann zu schreiben. Schliesslich war es der Parteipräsident, der ihn um diesen Gefallen gebeten hatte. Ganz abgesehen davon, dass Schützen echte Patrioten waren und echte Patrioten gingen an die Urne. Das war gut, sehr gut sogar. Denn im nächsten Jahr standen Wahlen an, Borer kandidierte für den Nationalrat. Die Schützen würden sich an ihn erinnern und ihm seine Stimme geben, unter der Voraussetzung, dass es ihm gelang, sie zu begeistern. Ein Lob auf die Schützen und den Militärdienst durfte also nicht fehlen. Der Staatsanwalt strich die Notwendigkeit der Schweizer Wehrtauglichkeit zur Verteidigung der Neutralität heraus und ergänzte den Text mit einem Pamphlet über die Bedeutung einer kampfbereiten Bevölkerung. Nicht nur kampfbereite Männer, sondern auch Frauen. Auf diese Passage war er besonders stolz. Das würde ihm auch die Stimmen der Patriotinnen einbringen. Gegen wen die Kampfbereiten dann letztendlich ins Gefecht ziehen sollten, liess er mangels Feindbild lieber offen. Borer wurde durch laute Stimmen in seinem Vorzimmer abgelenkt. Gerade jetzt, wo sich die einzelnen Teile zu einem Ganzen zu fügen begannen. Wütend erhob er sich und öffnete die Tür.
«Was ist denn hier los?»
«Diese … diese Tussi da will uns nicht zu Ihnen lassen.»
«Mässigen Sie sich, Frau Kupfer! Frau Steiner ist keine Tussi. Eine Entschuldigung Ihrerseits wäre angemessen.»
«Was?! Das ist die Höhe. Wir sind hier reingekommen und wollten Sie sprechen. Die Kuh hat sich die Fingernägel lackiert und süffisant gesagt, dass Sie nicht zu sprechen seien. Und jetzt soll ich mich auch noch entschuldigen? Niemals!»
Frau Steiner war dem Weinen nahe. Sie ist gut, dachte Ferrari, aber nicht ganz so gut, um mich zu täuschen.
«Muss ich mich von dieser … dieser Frau Kupfer das gefallen lassen, Herr Staatsanwalt?», flötete sie.
«Mitnichten, meine Gute. Also, was ist, Frau Kupfer?»
«Niemals!»
«Gut, dann bitte ich Sie, unser Büro zu verlassen. Ich habe Wichtiges zu tun.»
«Unser Büro?», echote Ferrari.
«Ich meine natürlich mein Büro, Ferrari.»
«Sie haben aber unser Büro gesagt, Herr Staatsanwalt.»
«Unser Büro, mein Büro, was soll diese Haarspalterei?»
«Ich gebe zu, dass Nadine mit ihrer Bezeichnung Tussi eine unglückliche Wortwahl gewählt hat …»
«Habe ich nicht!»
«… aber Frau Steiner hat uns tatsächlich wie Bittsteller behandelt …»
«… habe ich nicht. Das müssen Sie mir glauben, Herr Staatsanwalt!», flennte sie los.
«Oscarreife Leistung!», setzte Nadine noch einen drauf, bevor Ferrari zur eigentlichen Sache übergehen konnte.
«Wir müssen Sie in einem Mordfall sprechen, Herr Staatsanwalt. Ein Arnold …»
«Sehen Sie denn nicht, was Sie mit Ihrem Überfall angerichtet haben? Sie und Ihre Frau Kupfer! Frau Steiner ist in Tränen aufgelöst und ganz durcheinander. Und im Übrigen habe ich jetzt keine Zeit. Ich habe Wichtiges zu tun. Die Zukunft verlangt meinen ganzen Einsatz.»
Borer tätschelte Annina Steiner die Hände, um sie zu beruhigen. Weinende Frauen brachten ihn stets aus dem Gleichgewicht.
«Wie Sie meinen, Herr Staatsanwalt. Komm, Nadine, wir gehen.»
«Das ist doch …»
Ferrari schob Nadine unsanft zum Büro hinaus.
«He! Was soll das? Ich lasse mich doch nicht von dieser Schnepfe so einfach abservieren. Die zieht nur eine miese Show ab.»
Jakob Borer hielt noch immer eine Hand von Annina Steiner.
«Was wollten Sie eigentlich? Von wem sprachen Sie da eben?», brummte er beim Versuch, sein fein säuberlich gefaltenes und gebügeltes Taschentuch mit den Initialen JB hervorzuholen.
«Arnold Gissler wurde ermordet. Darüber wollten wir uns mit Ihnen unterhalten.»
Jakob Borer wich schlagartig von seiner Sekretärin zurück.
«Arnold Gissler? Kommen Sie rein. Ich will in der nächsten Zeit unter keinen Umständen gestört werden, Frau Steiner!»
Jakob Borer ging nervös in seinem Büro hin und her. Nadine und der Kommissär hatten sich vor seinem Schreibtisch auf die Besucherstühle gesetzt. Nadine wollte den Staatsanwalt etwas fragen, aber Ferrari hielt sie davon ab. Borer sollte von sich aus sprechen. So verging eine Minute, bis Borer endlich zur Sache kam.
«Eine der grössten Niederlagen in meiner Karriere. Man könnte sogar sagen, die einzig wirkliche.»
«Aber Sie waren damals
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