...und der grüne See (German Edition)
persönlichen
Nutzen. Er zog seine Geldbörse aus der Tasche und zog die
fünfzig Euro heraus, die er von Zuhause mitgenommen hatte.
Er fragte sich, ob es in Aule Meille so etwas wie Wechselstuben
gab – und vor allem: Wie war der Kurs?
Seufzend steckte Denny sein Geld wieder ein und setzte
seinen Weg fort. Staunend betrachtete er die Figuren und
Skulpturen. Edel- und Halbedelsteine in Farben und Größe
sortiert, grob oder bereits fertig geschliffen, lagen in jeweils
größeren Haufen aus.
Er hatte das Gefühl, dass er sich nach ungefähr einer hal
-
ben Stunde in der Mitte der riesigen Halle befand. Damit seine
Wächterin nicht warten musste, ging er etwas schneller. Er
nahm die nächste Kurve so eng, dass er um Haaresbreite mit
zwei Mädchen zusammengestoßen wäre. Es waren unverkenn-
bar Zwillinge, die sich zu Denny umdrehten. Sie schienen in
seinem Alter zu sein. Bei beiden waren die langen schwarzen
Haare nach hinten zu einem Zopf geflochten und reichten bis
zur Taille. Die Hautfarbe ließ Denny vermuten, dass sie nicht
aus Deutschland stammten.
„Hi!“, erklang es zweistimmig.
Denny merkte, wie er rot anlief. Die Zwillinge sahen sich an
und fingen an zu kichern.
An ihren Halsketten entdeckte er jeweils die gleiche Figur.
Sie hatte dreifingrige Hände, angewinkelte Glieder, runde
Augen und einen großen Kopf, der zur Seite geneigt war. Diese
aus einem einzigen Stein gefertigten Anhänger unterschieden
sich nur durchdie zusätzlich eingearbeiteten ovalen Steine. Der
eine war honigfarben und der andere gelb.
„Hi“, antwortete Denny etwas verlegen und deutete mit
einem Kopfnicken auf die Amulette, „habt ihr die hier gekauft?“
„Nein“, kam die Antwort von dem Mädchen mit dem
honigfarbenen Edelstein, „das hier sind Erbstücke und wurden
bisher innerhalb unserer Familie von Generation zu Generation
weitergegeben. Man nennt sie bei uns HEI-TIKI und sie sind
handgearbeitet. Die Herstellung eines HEI-TIKI dauert sehr
lange und die Halbedelsteine da drin sind unsere Hauptsteine,
die wir in einem anderen Geschäft in Aule Meille gekauft haben.
Ich trage einen Calcit- und meine Schwester einen PeruanJadestein. Übrigens, ich heiße Moana Timaki und das hier ist
meine Schwester Mian. Wir sind Maori und meine Familie
stammt aus Neuseeland. Bevor wir zur Welt kamen, sind un-
sere Eltern gemeinsam mit den Großeltern und unserem Bruder
nach Deutschland ausgewandert.“
Denny war sichtlich erleichtert, dass dieses Gespräch gut
angelaufen war, obwohl es mehr aus dem Mädchen herausspru-
delte, als aus ihm. Deshalb hielt er wenigstens schnell die Hand
hin und erwiderte: „Ich bin Denny Gideon!“
Moana machte auf Denny sofort einen sympathischen
Eindruck und ihm gefiel ihre redselige, unkomplizierte Art.
Die Zwillingsschwester zeigte sich dagegen zurückhaltender,
lächelte aber ebenfalls offen und freundlich.
Zum Glück setzte Moana in ihrer forschen Art das Gespräch
fort.„Was hast du denn für einen Hauptstein? Kannst ihn ruhig
zeigen, wenn du magst.“
„Ich habe eigentlich noch keinen“, sagte Denny, „aber spä-
ter werde ich den wahrscheinlich in einem der Geschäfte hier
kriegen.“
Nun kam Mian zum ersten Mal zu Wort und schlussfol-
gernd fragte sie vorsichtig: „Dann ist dein Großvater schon tot?“
Denny nickte.
„Das tut uns leid!“, sagte Mian mitfühlend.
„Schon ok! Als mein Großvater starb, war ich erst zwei
Jahre alt.“
„Dann hast du bestimmt einen Wächter an deiner Seite oder
wirst bald einen haben, oder?“, wollte Moana wissen.
„Ja, aber es ist eine Wächterin“, stellte Denny klar, „habe
sie heute erst kennengelernt. Naja, kennengelernt ist nicht ganz
richtig. Sie war schon die ganze Zeit auf meiner alten Schule
als Bibliothekarin beschäftigt und heute hat sie sich als meine
Wächterin zu erkennen gegeben. Sie soll mich während der
neuen Schulzeit begleiten.“
Wieder drehten sich die Zwillinge einander zu und strahl-
ten sich an. „Mensch, prima“, sagte Moana, „dann kommst du ja
mit uns zusammen in den Beutling.“
Denny überkam ein tolles Gefühl. Seine ersten Kontakte
mit Klassenkammeraden kurz vor Schulbeginn und dann noch
so nette. Seine Vorfreude wuchs. Er schaute auf seine Uhr und
erschrak. Es wurde Zeit, Tessa wartete sicherlich bereits auf
ihn.„Ok, ich muss jetzt leider los. Ich treffe mich gleich mit mei -
ner Wächterin. Ich denke, wir sehen uns im Kolleg, ja?“, fragte
Denny.
„Falsch“, wiedersprach ihn
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