und der tanzende Derwisch
All das würde ich gerne fotografieren.« Die Dschellabah raschelte, elKebaj nickte und führte Mornajay am Café vorbei zu der großen offenen, sandigen Fläche, die die ummauerten Häusergruppen voneinander trennte. Natürlich, dachte er, solche riesigen Plätze sind ein absolutes Muß für Kamelkarawanen! Unmöglich, Hunderte von Kamelen in eine enge Gasse zu treiben! Die Sonne schien warm, aber nicht sengend. Sie kamen an einem Torbogen vorbei, der in einen schmalen Durchgang führte, und nach einer Weile zu einer offenen Tür, dort verlangsamte elKebaj den Schritt.
»Das hammam«, sagte er deutend.
»Das was?«
»Das Badehaus. Dahinter, an der anderen Mauer, ist der öffentliche Ofen. Es ist dort sehr heiß, Monsieur, wir gehen hinein.«
Eine sehr praktische Kombination, dachte Mornajay, ein riesiger offener Ofen, aus dem Flammen hochloderten - rechts davon der Eingang zum Frauenbadehaus, links das Badehaus der Männer -, und wahrscheinlich nutzte auch der Bäcker dahinter dieses Feuer. Sehr vernünftig, da Brennstoff so rar war. Ein Junge schürte es, und ein älterer Mann hielt ihm offenbar eine Strafpredigt. Er war dunkelhäutig und hatte einen borstigen Schnurrbart. Wenn das der Badehausaufseher war, fragte Mornajay sich, wie er wohl allein mit ihm reden könnte. »Sein Name?« erkundigte er sich höflich und hantierte an seinem Blitzlicht.
»Khaddour Nasiri«, erklärte der Dorfvorsteher. Mornajay hob die Kamera ans Auge und schoß ein Bild. Als er seinen Namen hörte, drehte sich Nasiri um. Er blickte mürrisch auf Mornajay und ließ sich zu einem widerwilligen Nicken herab.
»Sprechen Sie Französisch?« fragte ihn Mornajay.
Nasiri zuckte gleichmütig die Schultern. »Oui.«
» Noch eine Aufnahme hier und dürfte ich Sie dann draußen im Licht fotografieren, mit dem Haus hinter Ihnen ... Hätten Sie soviel Zeit?«
ElKebaj nickte dem Mann auffordernd zu, da wurde Mornajay klar, daß der Vorsteher sie begleiten würde, daß sich in diesem Nest kaum je etwas tat und er eine willkommene Abwechslung für ihn war. Er hätte es ahnen müssen! Heimlich seufzend führte er sie hinaus, wo die beiden Männer unsicher in der Sonne stehenblieben, während eine Schar Jungen herbeirannten. Es war absurd, es war komisch, und es war schrecklich: Er würde hier keine Minute allein sein können. ElKebaj erteilte Befehle, und die Jungen blieben in einiger Entfernung stehen, redeten aufgeregt aufeinander ein und kicherten. Eine deprimierende Meute, dachte Mornajay verärgert, und bald würden sie ihn anbetteln. Er postierte Khaddour Nasiri allein vor der Tür in der Mauer und ging zum Vorsteher und den Jungen zurück und stellte seine Kamera ein.
Sein Problem war gar nicht so unlösbar. Während alle ihn aufmerksam beobachteten und warteten, brummte er, schüttelte unzufrieden den Kopf, dann ging er zu Nasiri zurück und fummelte an seinem Turban. Während er diesen zurechtrückte, sagte er leise: »Ich muß allein mit Ihnen sprechen, Khaddour Nasiri. Es ist zu Unannehmlichkeiten gekommen. Glauben Sie mir, wenn ich die Namen Sidi Tahar Bouseghine in Zagora und Muhammed Tuhami in Ouarzazate nenne?«
Nasiri drehte den Kopf, um ihn anzusehen, aber seine Miene blieb unbewegt. Mornajay wich wieder zurück und begann zu knipsen, er ging dabei in die Hocke, richtete sich wieder auf, drehte sich, um auch den Vorsteher und die Kinder miteinzubeziehen, und als er genügend Aufnahmen gemacht hatte, verschenkte er Ein-Dirham-Münzen, bis seine Taschen leer waren. Dann dankte er elKebaj und bat, jetzt allein gelassen zu werden, weil er ein wenig herumspazieren und Momentaufnahmen machen wollte. Der Vorsteher zögerte, dann nickte er, sprach barsch zu den Jungen, scheuchte sie fort und versprach Tee, sobald Mornajay fertig war.
Nachdem er sowohl Vorsteher wie Kinder los war, drehte sich Mornajay um und schlenderte die breite, sandige Durchgangsstraße hoch, vorbei an den letzten Mauern des Dorfes und auf die große freie Weite zu, die menschenleer und flach und in der Spätnachmittagssonne fast golden war: die Wüste.
Er spürte Khaddours Näherkommen, ehe der ihn erreicht hatte.
»Schwierigkeiten?« erkundigte sich Nasiri leise.
»Ja. Wenn Ihr Allah gnädig ist, kommen sie nach Rouida. Es gibt keinen anderen Weg mehr aus dem Land. Die Polizei ist hinter ihnen her.«
»Sie?« fragte ein wachsamer, veränderter Nasiri jetzt. Mornajay nickte. »Ja, und wir müssen um baraka beten. Zwei Personen, eine Frau und ein Mann, kamen aus dem Westen,
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