und der tanzende Derwisch
nun hörte sie mehrmals den Namen Ahmad, und sie sah, wie der Junge auf seinem Kissen herumzappelte, wo er saß. Sidi Tahar redete, Ahmad redete, Mahfouds Frau warf etwas ein und dann Mahfoud.
Da konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. »Was ist los, Max?« erkundigte sie sich.
»Sie sagen jetzt, daß wir Ahmad mitnehmen sollen. Sie wissen, daß Sidi Tahar ein heiliger Mann ist, weil er das Zeichen
- die sudschda auf der Stirn hat. Sie vertrauen ihm. Sie sagen nicht, wohin Sidi Tahar gehen wird, aber sie sagen, wenn seine Eltern kommen, um nach Ahmad zu sehen, würden sie ihn nur dorthin bringen, wohin Sidi Tahar geht, und es wäre sicherer, wenn wir ihn mitnehmen.«
»Sicherer? Ich wünschte, ich hätte ihre Zuversicht«, sagte sie düster. »Wissen sie, daß wir gejagt werden - welch ein entsetzliches Wort?«
»Nun ja«, antwortete Max. »Aber...« Er zuckte die Schultern und lächelte hilflos. »Sie sind nicht sehr an uns interessiert, wir sind ja nur Nasrani, aber Sidi Tahar ist ein heiliger Mann.« Er senkte die Stimme und wisperte fast: »Ihr Vorschlag gibt mir zu denken. Ich glaube, sie wissen viel mehr als wir ahnen, und sie zweifeln, daß Ahmad seine Eltern je wiedersehen wird.«
»O nein!« Hastig unterdrückte sie, was sie hatte sagen wollen, und murmelte statt dessen schwach »inschallah«, denn ihr war klar, daß jetzt nicht die richtige Zeit war, sich um Ahmads Eltern Sorgen zu machen, wenn es so viele unmittelbarere Probleme gab. Sie mußten rasch aufbrechen, ehe irgendwelche Suchtrupps von der Straße hierher abbogen. Da war auch der Fußmarsch über die Berge, der vor ihnen lag. Aber wichtig war nun, daß sie von hier wegkamen.
Das Gespräch war zu Ende, und Max und Sidi Tahar standen auf. Sie trug ihre leere Suppenschüssel zu Mahfouds Frau und dankte ihr. Dann gingen sie hinaus zu dem Laster, von Mahfouds Sohn Rashid geführt, der von nun an mit Max' Unterstützung fahren würde. Wortreich wurde Abschied genommen, mit vielen Bismallahs und Inschallahs, und Mrs. Pollifax, Sidi Tahar und Ahmad auf die Ladefläche geholfen. Mit einem Mahlen der Gangschaltung fuhren sie los, querfeldein über jetzt unbestellte Äcker, auf die felsigen Berge zu, die ihnen hoffentlich Schutz bieten würden.
18
Mornajay näherte sich Rouida am nächsten Nachmittag und hielt etwas außerhalb an, um einen ersten Eindruck zu bekommen und abzuschätzen, was ihn erwarten mochte. Weit rechts von ihm fiel der letzte Teil der Mesa ab, bis sie nichts weiter als ein Dschebel aus Felsen war, der einen steinernen Finger südwärts richtete. Vor ihm lag der Ort ausgebreitet, und er stellte erfreut fest, daß er endlich die Wüste erreicht hatte; sie erstreckte sich dahinter ungebrochen, so weit er sehen konnte: scheinbar endlose Wellen von Sand und Steinen, die schließlich am fernen Horizont mit dem strahlend blauen Himmel eins wurden. Er hatte vergessen, wie eine solche Weite sein konnte, wie beruhigend sie wirkte. Selbst die Ortschaft, deren Ziegel aus demselben Wüstensand geformt waren, fügte sich farblich vollkommen ein, verband sich, ja verschmolz mit ihr, und nur die Schatten, die die Sonne warf, ließen den Unterschied sichtbar werden; die sonnengebackenen Mauern waren leer, von einzelnen kleinen Fenstern oder den längeren Schatten geheimnisvoll wirkender Eingänge abgesehen.
Er wunderte sich, daß Rouida hier in diesem unwirtlichen Winkel des Landes Wurzeln geschlagen hatte. Dann sah er im Vordergrund den runden Brunnen mit Betonschacht, und das erklärte die Existenz der Ortschaft so dicht an der Wüste: es gab Wasser hier, es war eine Oase. Keine von Hollywoods üppigen Dattelpalmenoasen, denn er sah nur einen Baum, der über die niedrigen, flachen Dächer ragte, und an diesem Mangel an weiteren Bäumen lag es, daß der Ort an ein sonnengebleichtes Gerippe erinnerte. Es gab keine Straßen. Die mit einer Mauer umgebenen Gruppen von jeweils mehreren im Quadrat mit Innenhof beisammenliegenden Häuser hielten einen großen Abstand zur nächsten Gruppe ein, als wollten sie den Bewohnern ein bißchen Freiraum von den schmalen Gassen und dunklen Zimmern im Innern gönnen. Falls es hier Reichtümer gab, dachte Mornajay, waren sie gut vor den Steuereintreibern verborgen. Offensichtlich gab es hier keine Läden für Touristen, aber an einem langen, niedrigen Bau war ein verblaßtes CocaCola-Schild: Dieses schäbige Café und der Brunnen stellten das Zentrum von Rouida dar, was durch die mehreren Gruppen plaudernder oder nur
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