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und der tote Richter

und der tote Richter

Titel: und der tote Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. C. Beaton
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betrachtete die Auslagen der Metzgerei und entschied, dass das Kochen noch ein paar Tage warten konnte. Also ging sie in den Krämerladen, wo sie ein extrascharfes Vindaloo-Curry für die Mikrowelle und Reis kaufte. Auch in dem Geschäft waren alle sehr freundlich. An der Ladentür stand eine Kiste mit alten Büchern. In der Vergangenheit hatte Agatha fast ausschließlich Sachbücher gelesen. In der Kiste lag eine ziemlich abgegriffene Ausgabe von Vom Winde verweht , die Agatha spontan kaufte.
    Zurück im Cottage stapelte sie ein paar falsche Holzscheite aus gepressten Sägespänen in den Kamin, zündete sie an und hatte bald ein knisterndes Feuer, das im Schornstein rauschte. Dann nahm sie das Spitzendeckchen weg, das die Innenarchitektin über dem Fernseher drapiert hatte, und schaltete den Apparat ein. Irgendwo herrschte Krieg, wie immer, und die Nachrichten widmeten ihm die übliche Aufmerksamkeit. Angeregt plauderten der Moderator und der Reporter miteinander. »Schalten wir zu dir, John. Was kannst du uns über die gegenwärtige Lage sagen? Nun, Peter …« Als sie den unvermeidlichen »Experten« im Studio begrüßten, fragte sich Agatha, wieso sie überhaupt einen Reporter in das Krisengebiet geschickt hatten. Es war wie eine Endlosschleife vom Golfkrieg, als in den Nachrichten immerfort Reporter zu sehen gewesen waren, die vor irgendeinem Hotel in Riad standen, eine Palme hinter sich. Was für eine Geldverschwendung! Informationen hatten sie sowieso nie nennenswerte, und es wäre allemal billiger gewesen, die Leute im Londoner Studio vor eine Kübelpalme zu stellen.
    Agatha schaltete den Fernseher aus und nahm sich ihr Buch. Sie hatte sich schon auf ein wenig intellektuell unterfordernde Lektüre zur Feier ihrer neuen Freiheit gefreut, doch nun staunte sie, wie gut das Buch war, beinahe unanständig lesbar. Bisher hatte sie nur die Sorte Bücher gelesen, mit deren Titeln man bei anderen Leuten Eindruck schinden konnte. Das Feuer knackte und knisterte, und Agatha las, bis ihr knurrender Magen sie drängte, das Curry in die Mikrowelle zu schieben. Das Leben war schön.
    Eine Woche verging. Eine Woche, in der Agatha, wie es ihrer anpackenden Art entsprach, die Sehenswürdigkeiten der Umgebung abklapperte. Sie war in Warwick Castle gewesen, dem Geburtsort von Shakespeare, im Blenheim Palace und durch die Dörfer der Cotswolds geschlendert. Alles bei Sturm und ununterbrochenem Regen. Jeden Abend kehrte sie mit einem neuentdeckten Buch von Agatha Christie in ihr Cottage zurück, das ihr über die langen Abendstunden half. Sie hatte den Pub ausprobiert. Das Red Lion hatte niedrige Decken, war ziemlich kitschig eingerichtet und wurde von einem gutgelaunten Wirt betrieben. Auch dort waren die Einheimischen ihr mit offener Freundlichkeit begegnet, bei der es allerdings auch blieb. Mit argwöhnischer Feindseligkeit konnte Agatha umgehen, nicht hingegen mit dieser oberflächlichen Heiterkeit, die offensichtlich dem Zweck diente, Agatha auf Abstand zu halten. Nicht dass Agatha es jemals verstanden hätte, Freundschaften zu schließen, aber etwas an diesen Dörflern sperrte sich gegen Zuzügler. Sie behandelten sie keineswegs mit offener Ablehnung. Nein, dem Anschein nach hießen sie hier jeden willkommen. Trotzdem wusste Agatha, dass ihre Anwesenheit nicht die geringsteWellenbewegung im stillen Teich des Dorflebens bewirkte. Niemand bat sie zum Tee. Keiner interessierte sich für sie. Nicht einmal der Vikar kam vorbei, von einem alten Colonel und seiner Gattin ganz zu schweigen. Jede Unterhaltung beschränkte sich auf »Morgen«, »Tag« oder Gerede über das Wetter.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben lernte Agatha Einsamkeit kennen – und die machte ihr Angst.
    Von ihrem Küchenfenster aus blickte sie in die Cotswolds Hills, die hoch aufragten. Dahinter verbarg sich die Welt mit ihrer Geschäftigkeit und ihrem Trubel. Agatha kam sich wie ein verwirrtes Alien vor, gefangen unter dem niedrigen Dach ihres Cottages, abgeschnitten von allem. Die leise Stimme in ihr, die gerufen hatte: »Was hast du getan?«, wurde zu einem Brüllen.
    Und dann musste sie plötzlich lachen. London war nur anderthalb Stunden mit dem Zug entfernt, nicht Tausende von Kilometern! Gleich morgen würde sie hinfahren, ihre früheren Mitarbeiter besuchen, im Caprice zu Mittag essen und anschließend vielleicht in den Buchläden nach mehr Lesestoff stöbern. Den Markttag in Moreton würde sie verpassen, aber dafür blieb ihr die nächste Woche.
    Als

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