Und die Eselin sah den Engel
seine nackten Füße, seine pochende Brust. Und sie sah einen blassen neuen Abendmond am Himmel und ein Syzygium von hochgereckten Sicheln, und Beth hielt sich eine zitternde Hand vor den Mund.
Und ohne den Blick von Euchrids wahnsinnigem Gesicht zu lassen, begann sie zu sprechen.
Und da wachte Beth auf und drehte sich um. Sie richtete ihre Augen auf mich, und dann sprach sie.
»Endlich bist du gekommen, Jesus.«
Und es war, als lösten diese Worte etwas in mir aus, denn mir barst das Herz. Und so gewaltig schoß mir das Blut in den Kopf, daß mir ganz schwindlig wurde, und ich spürte, wie mir das Blut aus der Nase lief, roch es, schmeckte es, spürte, wie alle meine Wunden sich öffneten, hörte die Sänger singen, singen, spürte, wie mir der Mut aus der Hand rann – meiner Sichelhand –, so daß sie bebte und zitterte, und ich taumelte und fing mich und senkte meine Sichel in sie.
Ich hatte meine Stiefel auf die zertretene und zerfressene Leiche einer Lerche gestellt, und jetzt wimmelten sie von winzigen roten Ameisen; also ließ ich sie dort bei der Hecke stehen, und mit nichts an den Füßen als dem Staub der Straße schlug ich die Maine Road Richtung Norden ein.
In Hundskopf herrschte Schweigen. Anscheinend waren alle um Worte verlegen. Nachdem ich die Wirksamkeit offenen Handelns bewiesen hatte, schienen Worte plötzlich überflüssig – müßiges Geschwätz, bloßes Aufschieben von Taten.
Gewiß, mein Königreich war eine verdammt stille Arena, lag aber keineswegs in Schlaf.
Es knisterte schier vor ahnungsvoller Erwartung, als wenn alles den Atem anhielt, und ich konnte, als ich über den Hof ging, die Elektrizität in der Luft geradezu riechen, schmecken. Die Schreckfallen zitterten vor aufgestauter Energie. Alles um mich harrte der Freilassung. Mistgabeln, Spieße, Schlingen, Sägezähne, Netze – alle schienen sie nur eins zu wollen: springen, bohren, stürzen, hacken, stechen, schnappen, zufallen. Ich überprüfte sie noch einmal schnell und stieg dann in meinen Turm.
Ich bemannte das Teleskop.
Es war warm und windstill. Die Felder schwelten nicht mehr, und obwohl der meiste Rauch aus dem Tal abgezogen war, erschien der Himmel fleckig und die Unterseiten der Wolken verfärbt.
Stechender Verwesungsgeruch wehte durch die Falltür nach oben, und um nicht kotzen zu müssen, hielt ich mir die Nase zu und atmete, auch dies widerstrebend, durch den Mund. Ich fragte mich, wie die Tiere das aushielten, so wie die Schweine zu leben.
Ich richtete das Teleskop aufs Rathaus, und genau wie von mir erwartet, waren die Leute noch immer mit ihrer Schlemmerei beschäftigt. Aber nach meinen Berechnungen durfte es nicht mehr allzu lange dauern, bis das große Eichenportal aufschwingen würde und der Feind über die Vordertreppe auf den Memorial Square geschlendert käme.
Ich schwenkte das Teleskop auf den Platz, zielte auf die unscharfe weiße Gestalt, die ich als das Denkmal erkannte. Ich stellte scharf, rahmte das steinerne Gebilde sauber in mein Superauge, besah mir noch einmal den ganzen Schauplatz und ging dann zwecks detaillierterer Würdigung ganz nah heran. Und in diesem Augenblick der Klarheit staunte ich über die Wirkung, die jenes nun vervollständigte Bild ausstrahlte, den Engel und das Kind, die sublime Beziehung, die zwischen diesen beiden bestand, als ob der eine vom anderen abhinge, wie Gut und Böse, Himmel und Hölle, und ja, wie Leben und Tod. Sie erläuterten sich gegenseitig kraft ihrer wesentlichen Verschiedenheit. Und über diese Idee dachte ich nach, als ich das Denkmal betrachtete – die genaue Verkörperung dieser Vorstellung – Fleisch und Stein – das aufrecht Stehende und das unten Liegende – die erhobene Sichel und die niedergesauste Sichel – die sich ausbreitenden Schatten und das auslaufende Blut – das vom Himmel Gesandte und das zur Hölle Bestimmte – die Vergänglichkeit des Fleischs und die Dauerhaftigkeit des Steins – die Zerbrechlichkeit des einen und die Unerschütterlichkeit des anderen, und wißt ihr – na ja, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber – nun, ich meine, dieser Gedanke – ja, diese Vorstellung schien mir da doch etwas verdammt Lichtes und Schönes zu sein – ja, ja doch – und mit dem lebenden Beweis dieser schlichten Schönheit vor meinen Augen, wurde es mir auf einmal ganz heiß im Gesicht und schwoll ich irgendwie an, und ich biß mir auf die Lippen und suchte meine Tränen zurückzuhalten und sagte mir: »Bleib
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