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Und die Eselin sah den Engel

Und die Eselin sah den Engel

Titel: Und die Eselin sah den Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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verschlingen. Düster glitzert er unter uns auf.
    Doch halt! Schlagt die Flügel! Kreist! Seht, wer dort auf dem Schlamm liegt, ganz eingerollt wie ein Neugeborener! Seht, wie die Haut ihm an den Knochen klebt. Wie seine Rippen sich mit jedem Atemzug sachte heben. Seht, er ist fast nackt. Und seht, wie reglos er nur da liegt.
    Bis auf das Auge.
    Es rollt in seiner Höhle und hat uns fixiert. Ein Fischblick. Erstarrt kreisen wir weiter.

I
    Es war sein Bruder, der an diesem Morgen, dem Morgen ihrer Geburt, das Netz zerriß, und als sollte dieser einzige Akt der Selbstbehauptung einen negativen Präzedenzfall für die Trägheit seines künftigen Lebens schaffen, packte Euchrid, noch namenlos, die Fersen seines Bruders, um mit der ganzen Herrlichkeit eines ungebetenen Gastes in die Welt zu plumpsen.
    Der geschmolzene Blitz der Mittagssonne schwang am Himmel und hämmerte auf das Blechdach und die geteerten Bretterwände der Hütte nieder. Drinnen in der fürchterlichen Hitze saß Pa inmitten seiner raffinierten Gerätschaften aus Federn und Stahl schwitzend am Tisch und schmierte seine Fallen, wobei er sich vergebens mühte, die Ohren vor dem betrunkenen Gezeter seiner Frau abzuschotten, die keifend auf dem Rücksitz des alten ausgebrannten Chevys lag. Er war der Stolz des Schrotthaufens, dieser Wagen, und er stand, auf Ziegelsteine aufgebockt, draußen hinter der Hütte wie ein mächtiger Panzer, den irgendein allzu großes Kriechtier angewidert abgestreift hatte.
    Dort wand seine trunksüchtige Gattin sich in den Wehen und kreischte gegen das Wunder an, das in ihr schwoll und um sich trat; sie lutschte an ihrer Flasche White Jesus, schaukelte den Chevy auf seinen Stelzen, stöhnte und schrie, schrie und stöhnte »Pa! Pa-a! Pa-a-a!«, bis sie hörte, wie die Tür der Hütte aufging und wie die Tür der Hütte zuging, woraufhin sie von dem Morgen Abschied nahm und das Bewußtsein verlor.
    »Zu besoffen zum Pressen«, erzählte Pa Euchrid dann später.
    Pa entwand die Schnapsflasche ihrem schmutzigen Griff, denn selbst in ihrer Ohnmacht wollte sie nicht davon lassen, und zerschlug sie bedächtig an der rostigen Heckflosse des Wagens.
    Er nahm seine Intuition als Hebamme und eine große Glasscherbe als Schneidwerkzeug, spreizte seine schwangere Frau auseinander und begoß ihre Geschlechtsteile mit Kartoffelschalenschnaps. Und unter endlos aus seinem Mund strömenden Flüchen, unterm Gesumm der Sommerinsekten, unter der vom wolkenlosen Himmel strahlenden Sonne, unter höllischem Kreischen und einem Schwall von Ausfluß flutschten zwei glitschige Bündel ans Licht.
    »Gott! Zwei!« schrie Pa, doch einer starb schon bald.
     
    Auf dem Tisch in der Hütte standen Seite an Seite zwei mit Zeitungspapier ausgelegte Obstkisten. Die Tierfallen waren weggeräumt und hingen jetzt an den Wänden.
    Zwei Kisten, und in jeder ein Baby. Pa starrte hinein.
    Beide lagen vollkommen still und reglos auf dem Rücken, nackt wie der junge Tag und mit großen suchenden Augen. Pa zog einen zerkauten Bleistiftstummel aus der Hosentasche, beugte sich über die Kleinen und schrieb blinzelnd ans Fußende der Krippe des Erstgeborenen ›Nr. 1‹; leckte dann die Spitze und schrieb ›Nr. 2‹ an die Krippe, in die er Euchrid gelegt hatte. Darauf trat er zurück und stierte vom einen zum andern, und der eine und der andere erwiderten seine Blicke voller Ernst.
    Sie hatten seltsam mandelförmige Augen mit leicht geschwollenen, fast wimperlosen Lidern; blau, aber so blaß, daß es an Rosa grenzte; aufmerksam und gespannt, ruhten sie keinen Augenblick – eher schien es, als schwebten sie, diese unheimlich vibrierenden Augen, als schwebten sie zitternd in ihren brauenlosen Höhlen.
    Der kleine Euchrid hustete kurz und heftig, wobei die winzige rosa Zunge über die Unterlippe flappte und sich dann wieder nach innen verzog. Und als habe er nur auf ein Zeichen gewartet und es in Euchrids zaghaftem Huster erkannt, schloß der tapfere kleine Erstgeborene die Augen und fiel in einen Schlummer, aus dem er nicht mehr aufwachte.
     
    »Auf Wiedersehen, Bruder«, hab ich zu mir gesagt, als er sich fortschlich, und eine ganze Minute lang dachte ich, auch ich würde untergehen, so verdammt kalt war sein Sterben.
    Und dann erscholl das heisere Gezeter von Dero Oberschlampe, meiner Mutter, durch die stille Nacht, ließ Ma rauhe Flüche aus dem Anus der Obszönität fahren, hämmerte an die Innenwand des Chevys und kreischte: »Wooo’s meine Flaasche!«
    »Wooo’s

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