Und die Toten laesst man ruhen
gab er mir ein paar Tipps, welche Aktien in nächster Zeit kräftig anziehen würden.
Als ich an der Hammer Straße ausstieg, hatte ich die Namen schon vergessen. Sollte sich mein Konto irgendwann aus der ungesunden Soll-Zone entfernen, würde ich auf das Problem zurückkommen. Von hier, ich meine die Hammer Straße, bis zum Dahlweg waren es nur ein paar Schritte. Thomas wohnte gegenüber einem Grünfleck, der sich etwas hochtrabend Südpark nennt. Er war nicht zu Hause, aber die beiden Kinder ließen mich in die Wohnung. Der Junge meinte, dass sein Vater eine Verabredung mit der rothaarigen Lehrerin hätte, während das Mädchen auf die blonde Ärztin tippte. Darüber gerieten sie in Streit und beschimpften sich mit den unflätigsten Ausdrücken.
Ich zog es vor, mich nicht in ihre Erziehung einzumischen, und ging ins Wohnzimmer, wo ein Pirat zum soundsovielten Mal die Tochter des Gouverneurs entführte. Später kamen auch die Kinder und wir machten uns einen gemütlichen Fernsehabend. Während der Tagesthemen hielt mir der Junge einen Vortrag über die Geschichte der deutschen Nation. Er griff bis auf Karl den Großen zurück.
Nach elf gingen die Kinder ins Bett und ich inspizierte den Kühlschrank. Es fanden sich einige Lebensmittel einschließlich einer Dose Bier. Damit überbrückte ich einen quälerischen Liebesalbtraum von Ingmar Bergmann.
Thomas kam um Viertel nach eins. Er war nicht erstaunt, mich in seinem Wohnzimmer zu finden. Ich erzählte ihm, dass ich mich für eine Weile aus dem öffentlichen Leben zurückziehen müsse. Im Gegenzug berichtete er von einer grünäugigen Perserin, die trotz ihres schlanken Körpers hervorragend bauchtanzen könne. Mit der hatte er nämlich, seine Kinder in Unwissenheit lassend, den Abend verbracht. Und schließlich wollte er wissen, mit wem er mich neulich im Café Argentina gesehen habe.
»Viel zu jung für dich, die ist gerade erst fünfundzwanzig.«
»Da haben sie noch dieses Unschuldige«, meinte Thomas.
»Ich glaube, sie steht nicht auf alternde Lustmolche«, gab ich kühl zurück.
Er verschränkte die Arme und grinste unverschämt. »Ich habe genau gesehen, wie du sie angeguckt hast. Du bist scharf auf sie, stimmt's?«
Ich nahm mir viel Zeit, einen Zigarillo anzuzünden. »Immerhin bin ich fünf Jahre jünger als du.«
Er winkte ab. »Keine Sorge. Sie ist nicht mein Typ.«
Das gefiel mir auch nicht. Also redeten wir über rothaarige Lehrerinnen, blonde Ärztinnen und grünäugige Perserinnen. Zwei Flaschen Martini halfen uns, das Gespräch in Gang zu halten. Und je leerer die Flaschen, desto obszöner wurden die Themen. Irgendwann, als die Schwärze der Nacht einen leichten Graustich bekam, legte ich mich auf die Couch zu einem kurzen und unerquicklichen Schlaf.
Ich erwachte von einem nassen Handtuchschlag. Das Handtuch blieb auf meinem Kopf liegen und so blieb mir nichts anderes übrig, als die rechte Hand zu heben und es wegzuziehen. Das hätte ich lieber nicht machen sollen, denn das grelle Licht brannte mir ein Loch zwischen die Augen.
»Aufstehen, du Langschläfer!«, brüllte das Mädchen.
Ich krächzte und fiel von der Couch. Mühsam kam ich auf die Beine und schlich in die Küche, wo Thomas mit gebeugtem Rücken und zittrigen Händen an der Kaffeekanne hantierte.
»Wo sind die Aspirin?«, flüsterte ich. Noch ein lautes Wort und mein Kopf wäre geplatzt.
Wortlos griff er in die Außentasche seines frisch gebügelten Hemdes und schob mir eine Packung Tabletten rüber. Ich nahm drei auf einmal.
Nach drei Tassen Kaffee und einem zart mit Honig bestrichenen Toast fühlte ich mich besser. Gut genug jedenfalls, um einen Gedanken an meine Lage zu verschwenden. Bei Tageslicht betrachtet, war sie elendig beschissen. Die Polizei hatte sicher schon gestern Abend meinen Wagen identifiziert und sich Gedanken über den Fundort der Pistole gemacht. Außerdem hätte ich eine blaue Mauritius darauf verwettet, dass sich die Fingerabdrücke des Mörders nicht auf der Pistole befanden. Zum Glück hatte ich sie nicht auch noch aufgehoben. Bei meiner Dummheit in letzter Zeit war das schon ein kleines Wunder. So blieb mir wenigstens das i-Tüpfelchen auf der Mordanklage erspart.
Zusammen mit der vierten Tasse Kaffee wendete ich mich der Frage zu, wer eigentlich die Polizei angerufen hatte. Logischerweise konnte es sich dabei nur um den Mörder handeln. Ihn zu finden und damit meine Unschuld zu beweisen, musste jetzt mein Bestreben sein. Wahrlich, ich war an
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