Und ewig währt die Hölle (German Edition)
in Morgenmantel und Pantoffeln, ging sie mit ihrem Caffè Latte zum Fenster und machte es sich auf der Fensterbank bequem. Sie liebte es, dort zu sitzen und zuzusehen, wie die Stadt erwachte. Automatisch begann sie, sich auf die Vernehmung von Gisle Kvamme und seiner Tochter vorzubereiten. Nach ein paar Minuten griff sie sich den kleinen Laptop vom Couchtisch und checkte die eingegangenen E-Mails.
Nichts vom Außenministerium dabei. Was zum Kuckuck machten die da drüben? Begriffen die nicht, dass es eilte?
Sie wollte den Laptop gerade wieder zuklappen, als ihr eine Idee kam. Du bist eitel, dachte sie, während ihre Finger das Passwort auf match.no eintippten. Zweiundzwanzig Nachrichten im Postfach. Sie lächelte unwillkürlich. Kein schlechter Start in den Tag. Sie öffnete die zuletzt eingegangene Mail.
«Hallo, hab dein Profil gesehen. Ich bin ein zärtlicher Mann, sehr gut bestücktund würde dich gern ganz kennenlernen.»
Parisa stöhnte. Gab es wirklich Frauen, die so was sexy fanden?
Sie klickte sich durch die anderen Mails. Lauter potente Single-Männer, die mit ihrem besten Stück prahlten. Rechtschreibung eher mangelhaft. Sinnlich mit einem n und gepflegt ohne p. Unglaublich, wie viele Männer Wert auf die Feststellung legten, dass sie gepflegt waren. Aber die letzte Mail ganz unten erregte ihre Neugier: «Würdest du mit mir verreisen?» Parisa las weiter: «Ich bin in der Finanzbranche und suche eine Frau, die meine Erlebnisse mit mir teilt. Interessen: Kunst, Geschichte und Flugzeuge.»
Parisa stutzte. Sie scrollte nach unten, um zu sehen, ob er einen Namen oder ein Bild angefügt hatte. Nichts, nur ein Codewort und eine Mailadresse innerhalb des Portals. Wer gab «Flugzeuge» als Interessengebiet an, und sammelte er Modellflugzeuge, oder war er Freizeitpilot? Ihr kam eine Idee. «Hallo Flieger!», schrieb sie und klickte auf «Absenden».
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Kapitel 6
Die Notaufnahme der Jugendfürsorge in Løren war ungefähr so, wie man es erwartete – sehr öffentlich und viel zu klein. Parisa war vor einigen Jahren schon einmal hier gewesen, und die Erinnerung daran weckte keine besonders guten Gefühle in ihr. Lykke wartete am Empfang.
«Ich finde, du solltest das Gespräch führen», sagte er kurz, nachdem sie sich ausgewiesen hatten.
«Okay.»
Genau darauf war Parisa vorbereitet. Sie blickte sich um. An den weißen Wänden klebten unzählige Kinderzeichnungen.
«Einen Moment, Eva-Britt kommt gleich», sagte die mollige Frau hinterm Tresen und lächelte freundlich. «Sie hatte gestern Abend Dienst. Unsere Kinderpädagogin», fügte sie hinzu.
«Gut. Danke.»
Lykke lächelte kurz und versuchte, die Kopfschmerzen zu ignorieren, die sich mittlerweile hinter seiner Stirn festgesetzt hatten. Er war erst gegen zwei Uhr im Bett gewesen, und wie immer am Beginn einer Ermittlung hatte er Schwierigkeiten gehabt, einzuschlafen. Als der Schlaf endlich gegen Morgen kam, war Ida aufgewacht und hatte über Bauchweh geklagt. Sonja wollte aufstehen, aber da war er schon aus dem Bett. Jetzt bereute er es. Ich werde alt, dachte er.
«Guten Tag. Eva-Britt Grøsland.»
Eine schlanke, hochgewachsene Frau mit jungenhafter Kurzhaarfrisur und roter Brillenfassung streckte ihnen die Hand entgegen. Ihre Fingernägel waren lackiert.
Lykke und Sadegh erwiderten ihren Händedruck.
«Ich muss Sie bitten, sehr behutsam zu sein», sagte sie streng. «Das Mädchen steht immer noch unter Schock.»
«Wir sind ganz vorsichtig.»
Sie wurden durch einen schmalen Flur in eine Art Besucherraum geführt. Ein bisschen gemütlicher als im Knast, dachte Lykke, aber nicht viel.
«Einen Moment.»
Die Pädagogin verschwand durch eine Tür, und kurz darauf hörten sie ein Kind weinen. Lykke ließ sich auf einem Stuhl nieder, der mit Lederimitat bezogen war.
«Wir müssen herausbekommen, was sie gesehen hat», sagte er leise. «Das eilt am meisten. Alles andere hat Zeit bis später.»
Parisa nickte.
Die Tür ging auf, und ein schmächtiger Mann von etwa ein Meter siebzig kam herein, auf dem Arm ein langbeiniges Mädchen, das sich an seinem Hals festklammerte. Er nickte ihnen kurz zu.
«Ich weiß nicht, ob das so gut ist …»
Er versuchte, die Kleine auf dem Sofa abzusetzen, aber sie hielt weiterhin krampfhaft seinen Hals umklammert.
«Keine Angst, Nora, ich bin ja hier. Das sind nur zwei Polizisten, die ein bisschen mit dir reden wollen.»
Schließlich hatte er es geschafft, sich und das Mädchen auf dem Sofa zu
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