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Und fuehre mich nicht in Versuchung

Und fuehre mich nicht in Versuchung

Titel: Und fuehre mich nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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Essen, ohne Zweifel.»
    Jens legte die Gabel zur Seite, er hatte kaum die Hälfte des Gerichts gegessen. Susanne nahm sich vor, ihre nächsten Kochversuche hinauszuschieben oder vorher mit Tanja zu üben. Jens runzelte die Stirn bei der Erinnerung. «Er hatte nur eine Macke. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte der asiatische Einschlag die gesamte deutsche Küche beeinflussen können. Nichts gegen Zitronengras, aber im Übermaß kann ich das nicht mehr gut finden. Wenn er sich angemeldet hat, dann hab ich allerdings schon darauf geachtet, daß er mit seinem Faible für Koriander und Bam-bus nicht zu kurz kam. So, er hatte einen Neffen. Da bin  ich gespannt, wie du den findest.» Susanne beschloß, daß die Gelegenheit günstig war: «Sag mal, Jens, wo wir gerade von den 16 Löffeln reden», sie griff nach seiner Hand, «das war bestimmt auch nicht einfach für dich, plötzlich so unter Streß zu stehen, mit dieser hohen Bewertung.» Jens zog seine Hand abrupt weg, plötzlich wirkte er abweisend.
    «Wie kommst du denn darauf?» fragte er scharf. Seine sonst so freundlichen braunen Augen blickten zornig.
    Susanne war zum Heulen zumute. Wieder hatte sie offensichtlich den falschen Ton getroffen. Sie wollte Jens doch nur beistehen, ihm zeigen, daß sie ihn lieb hatte. Wie konnte sie ihn dazu bringen, mit ihr über seinen Kummer zu reden? «Irene Daubmann war auch nicht für 16 Löffel von deinem Menü begeistert», das konnte es wohl kaum sein. «Du drehst dich nur noch um dein Restaurant», das klang nicht nach 16 Löffeln, dafür nach 16 Ehejahren. Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, jetzt bloß nicht heulen, nur das nicht! Sie atmete tief ein. «Jens, ich habe dich doch lieb, das weißt du doch. Und ich weiß nicht, was mit dir los ist, ich spüre doch, daß du bedrückt bist.
    Willst du mir nicht sagen, was dich belastet?» Jens knallte sein Besteck auf den Tisch. «Spar dir deine Seelsorgesprü-
    che für deine Schäfchen auf, aber laß mich bitte damit in Ruhe.» Er sprang auf. «Ich muß noch nach Gonsenheim, Gemüse einkaufen.» Dann riß er sich zusammen. Er machte ein freundliches Gesicht, aber seine Augen blieben kalt. «Tut mir leid», er küßte sie flüchtig auf die Stirn, «du hast es bestimmt lieb gemeint, aber ich hab so viel zu tun im Moment, da fehlt mir der Sinn für tiefschürfende Gespräche. Komm doch heute abend nach dem Gespräch beim Neffen im Schwalbacher Hof vorbei, dann mixe ich dir einen Absacker und du erzählst, wie es war.» Jens  merkte, wie sehr Susanne getroffen war. Endlich nahm er sie in den Arm. «Süße, schau nicht so traurig, ich bin halt wirklich im Streß. Soll ich dir ein paar Möhren aus Gonsenheim mitbringen?» Jens grinste sie schelmisch an, mit diesem Lächeln, dem sie einfach nicht widerstehen konnte, und kniff sie zärtlich in ihren Hüftspeck. «Die sind besser für die Figur als Risotto.» Susanne boxte ihm auf die Finger: «Du gemeiner Kerl!», sie mußte einfach lachen, «ich schlag dir noch deine blöden Löffel um die Ohren.» Jens lachte und gab ihr einen langen Kuß. «Also, beseelsorge mal schön den Neffen. Und vergiß nicht den Absacker bei mir, nicht, daß ich eifersüchtig auf Vogel Junior werden muß. Tschüß, mein Schatz.» Er gab ihr noch einen zärtlichen Klaps auf den Po und machte sich auf den Weg zu den Gonsenheimer Bauern. Erst als die Tür schon hinter ihm zugeschlagen war, fiel Susanne ein, daß sie sich ja in Gonsenheim zum Laufen mit Tanja verabredet hatte und Jens und sie auch gemeinsam hätten fahren können. Zu spät.

    * * *
    «Er hat ein Motiv, und er ist immer noch geladen, wenn er an Vogel denkt», berichtete Tanja, während sie neben Susanne durch den Gonsenheimer Forst lief. Sie leichtfü-

    ßig, fast schwebend, Susanne schnaufte mühsam. «Mach mal nicht so schnell, bitte! Eine alte Frau ist doch kein D-Zug! Kannst du ihm denn irgend etwas nachweisen?»
    Tanja drosselte etwas das Tempo. «Bis jetzt noch nicht», sie runzelte die Stirn, «aber ich bin mir nahezu 100prozentig sicher, daß er es war, der Vogel zusammengeschlagen hat.
    Du hättest sehen müssen, wie er blaß wurde, als ich die  Blutergüsse ansprach. Und Bauernberg ist kein Typ, der sich beherrschen kann, das ist ein Choleriker, wie er im Buche steht.» Tanja setzte zu einem kurzen Sprint an, Susanne japste verzweifelt. «Paßt das denn zu einem Choleriker, die Sache mit der abgehauenen Hand?» keuchte sie.
    «Ist er der Typ dafür?» Tanja

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