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Und fuehre mich nicht in Versuchung

Und fuehre mich nicht in Versuchung

Titel: Und fuehre mich nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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überlegte: «Vielleicht ist ihm das mit der Hand erst später eingefallen. Mal angenommen, es war so: Er erschlägt Vogel im Streit, weiß nicht wohin mit der Leiche, zerteilt den Körper, friert ihn ein und nagelt ihn dann an die Platane.» Sie schaute Susanne abwartend an. «Mir ist irgendwie schlecht», jammerte die,
    «wer macht denn so was? Das traue ich dem Bauernberg nicht zu, der kann doch kein Mörder sein, finde ich. Man bringt doch niemanden um, nur weil er einem nur 13 Löffel gegeben hat.» Tanja trippelte auf der Stelle, um Susanne wieder etwas herankommen zu lassen. «Ein Mann, der überall Gänse hinstellt, dem ist alles zuzutrauen», erklärte sie kategorisch. «Vielleicht hat er Vogel mit einer Gans erschlagen, am besten mit einer gefrorenen Keule, die er anschließend brät und den Kunden vorsetzt. Aber mal ernsthaft: wer sieht schon nach Mörder aus? Und ich muß doch nach Motiv und Gelegenheit fragen. Ein Motiv hatte Bauernberg auf jeden Fall, die Gelegenheit nicht unbedingt, nach allem, was er über seinen Tagesablauf aussagt, aber ein Mord dauert ja nicht unbedingt Stunden. Ich werde auf jeden Fall seine Gefriertruhe beschlagnahmen und auf Spuren untersuchen lassen, wenn es da noch was zu finden gibt.» Sie lief jetzt gleichmäßig neben Susanne.
    «Eigentlich müßte ich jede große Gefriertruhe in Mainz und Umgebung beschlagnahmen. Im Grunde ist jeder verdächtig, bei dem Vogel gegessen hat und dem er als Dank eine miese Kritik im Amuse Gueule verschafft hat.»
    Susanne kicherte. «Was ein Glück, daß wir da aus dem Schneider sind. Vogel war ja ein echter Fan von Jens’
    Küche.» «Außerdem wart ihr zwei Hübschen in der fraglichen Zeit schließlich in Paris und habt herumgeflittert, während der arme Vogel in Einzelteile zerlegt wurde.»
    Tanja schaute Susanne an. «Hast du eigentlich mal bei Bauernberg gegessen, trotz des scheußlichen Ambientes?»
    erkundigte sie sich. «Nein», antwortete Susanne, «aber eine Kollegin von mir, Dr. Irene Daubmann von der Melanchthon-Gemeinde, die hat mir auch erzählt, die Beurteilung der Goldenen Gans sei ungerecht. Sie meinte, sie würde nicht verstehen, warum Jens 16 Löffel bekommen hätte und die Gans nur 13.» Tanja stutzte: «Und das hat sie dir so offen erzählt, das ist doch eigentlich hart an der Grenze. Sie weiß doch, daß du die Freundin von Jens Maistrom bist, oder?» Susanne wehrte ab. «Ich habe sie regelrecht gedrängt, ihre Meinung offen zu sagen. Überhaupt finde ich, daß Vogel Jens mit seinen 16 Löffeln gar keinen Gefallen getan hat. Jetzt ist Jens so unter Streß, die hohen Erwartungen zu erfüllen, daß er sich gar nicht mehr richtig entspannen kann. Er redet nur noch über das Lokal, ein anderes Thema kennt er überhaupt nicht mehr, ich merke richtig, wie es ihn unter Druck setzt. Aber glaubst du, er redet mit mir darüber? Wenn ich nur zarte Andeu-tungen mache, wird er richtig sauer. Typisch Mann. Ich hoffe mal, das legt sich wieder.»

    * * *
    «Herzliches Beileid noch einmal zum Tod Ihres Onkels.»

    Susanne Hertz reichte Christian Vogel die Hand. Sie war für das Gespräch nach Mainz-Finthen gefahren, Vogel  wohnte in einem Hochhaus an der Römerquelle. Es war erst einmal gar nicht so einfach gewesen, einen Parkplatz zu finden. Dann hatten die Aufzüge offensichtlich einen Dauernutzer in den oberen Stockwerken, so daß Susanne zu Fuß in den fünften Stock steigen mußte. «Jeder Gang macht schlank», dachte sie mißmutig, als sie durch das wenig anheimelnde Treppenhaus nach oben marschierte.
    Am Ende eines düsteren Flurs wartete der Neffe des Mordopfers schon auf sie an der Wohnungstür. Christian Vogel war etwa so alt wie sie, wirkte aber einerseits älter, andererseits jünger. Älter ließen ihn seine schütteren Haare erscheinen, jünger sein weichlicher Gesichtsausdruck. Sein Mund wirkte kindlich, seine Lippen waren wie schmollend geschürzt. Susanne war nicht überrascht, daß sein Händedruck schlaff war. Spontan hatte sie das Bedürfnis, sich die Hände zu waschen – aber das ging wohl nicht. Vogel führte sie durch einen schmalen Flur in ein überraschend freundlich eingerichtetes Wohnzimmer, das zwar wie aus dem IKEA-Katalog importiert wirkte, aber gemütlich und ein-ladend war. Eine Seite war komplett mit BILLY-Regalen vollgestellt, Christian Vogel schien eine Leseratte zu sein, die Bücher sahen nicht wie Dekorationsobjekte aus, sondern so, als ob sie oft herausgezogen und gelesen würden.
    Ein

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