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Und fuehre mich nicht in Versuchung

Und fuehre mich nicht in Versuchung

Titel: Und fuehre mich nicht in Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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Arne zuckersüß.
    Tanja trat ihm mit dem 4-Zentimeter-Absatz auf den schwarzen Lederschuh. Arne verzog keine Miene, sondern beugte sich zärtlich an Tanjas Ohr. «Ich weiß, wo die Schleife deines Kleides sitzt, Herzchen, also reiß dich  zusammen, sonst wickel ich dich vor dem Roulettisch aus.»
    Beide strahlten sich an, als wären sie frisch verliebt. Arne trug einen anthrazitgrauen Anzug mit lachsfarbenem Hemd und dezent gestreifter Krawatte. Tanja war aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen, als Arne so aus seinem Schlafzimmer getreten war. «Den habe ich mir für die Nibelungenfestspiele in Worms gekauft. Gefällt er dir?»
    hatte er gefragt und zufrieden über die leichte Wolle gestrichen. «Normalerweise kostet der fast ein halbes Monatsgehalt, ich habe ihn im Ausverkauf echt günstig bekommen. Macht was her, oder!» Tanja bewunderte ihren Kollegen und wunderte sich im stillen über Arnes kultu-relle Interessen, von denen sie nichts geahnt hatte. Jetzt erkundeten die beiden die Räumlichkeiten des Casinos. «Er sollte uns möglichst nicht entdecken», raunte Arne Tanja zu. Die nickte nur und blickte sich staunend um. Sie war noch nie in einem Spielkasino gewesen und konnte sich der Wirkung der prachtvoll eingerichteten Räumlichkeiten nicht entziehen. In den Kronleuchtern funkelte es, die Tep-piche dämpften ihre Schritte. Die Croupiers, darunter auch Frauen («Hießen die Croupieusen?» fragte sie sich), han-delten souverän und ruhig wie Priesterinnen und Priester eines geheimnisvollen Kultes. Ihre Bewegungen wurden von vielen Augenpaaren mit gespannter Aufmerksamkeit beobachtet. Tanja bemerkte, daß manche Spieler offensichtlich die Tische wechselten, andere schienen einen festen Platz einzunehmen. An Arnes Arm (sicher war sicher) ging sie von Raum zu Raum. Plötzlich entdeckten sie Christian Vogel. Arne stieß Tanja vorsichtig an und zog sie in eine dunklere Ecke außerhalb der Sichtweite von Christian. Doch die Vorsichtsmaßnahme war überflüssig.
    Christian Vogel sah nur den Croupier an seinem Roulett tisch und die Jetons, die sich vor ihm auf dem Tisch sta-pelten. Tanja und Arne sahen sich an. «Der spielt heute Abend nicht um 100 Euro», murmelte Arne. Sie schauten Christian Vogel beim Spiel zu. Zielgerichtet (spielte er nach einem System?) plazierte er Jetons an verschiedenen Stellen des Tisches, wartete dann mit mühsam unterdrückter Erregung, wenn die Kugel im Rund lief. Ab und an schob ihm der Croupier einen Stapel Jetons zu, meistens mußte er es aber geschehen lassen, daß der Spielleiter seinen Einsatz einzog. Tanja trat von einem Fuß auf den anderen. «Das kann ja Stunden dauern», maulte sie, «bis dahin habe ich zehn Blasen, an jedem Zeh eine. Ich frage mich, wie Susanne diese Folterinstrumente erträgt.» Arne blickte unverwandt auf den grünen Filztisch. «Der wird spielen, bis kein Jeton mehr vor ihm liegt», flüsterte er.
    «Und wir werden warten, bis dieser Zeitpunkt gekommen ist. Dann sind wir an der Reihe.» Tanja nickte ergeben. Der Raum war mit leisem Raunen erfüllt, niemand sprach laut.
    Alle waren auf ihr Spiel konzentriert. Der Stapel Jetons vor Christian Vogel wurde immer kleiner. Endlich, es war schon kurz vor ein Uhr, setzte Vogel mit einem Seufzer seine letzten Jetons auf Rot. Er erstarrte förmlich, als die Kugel lief. Resigniert schob er seinen Stuhl zurück, als die kleine Kugel auf eine schwarze Zahl fiel. Seine Gestalt, die am Spieltisch noch angespannt gewirkt hatte, schien jetzt zu zerfließen. Erschöpft wischte er sich mit einem Taschentuch die Stirn. Arne und Tanja traten auf ihn zu. Mit gesenktem Kopf steuerte er auf den Ausgang zu. Arne stellte sich ihm in den Weg. «Herr Vogel, wir müssen Sie sprechen.» Vogel blieb stehen und schaute nur kurz auf.
    «Ich bin müde und will nach Hause», sagte er mißmutig.
    «Darauf können wir jetzt leider keine Rücksicht nehmen,  Herr Vogel», entgegnete Arne. «Kommen Sie, wir gehen nach draußen. Im Park können wir ein paar Schritte an der frischen Luft gehen.» Tanja rammte Arne ihren Ellebogen leicht in die Seite. «Oder uns auf eine Parkbank setzen», ergänzte sie.

    * * *
    Vogel saß auf einer Bank im Kurpark. Die Parklaternen warfen lange Lichtstreifen auf den Rasen. Der Neffe von Steffen Vogel hatte seinen Kopf in den Händen vergraben.

    Tanja saß neben ihm, Arne hatte sich auf eine Bank gesetzt, die im rechten Winkel stand. «Wie viel haben Sie heute abend verloren?» fragte Tanja. Vogel schüttelte den

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