Und fuehre mich nicht in Versuchung
erschöpft», dachte Susanne. Aber war Jens früher so erschöpft gewesen, wenn im Schwalbacher Hof alles bestens gelaufen war? Er hatte nach einem erfolgreichen Abend sonst strahlend gewirkt, wie elektrisiert. Die Anstrengungen des Tages waren ihm dann kaum anzumerken gewesen, oft lud er Freunde noch zu einem Absacker ein, um den Erfolg eines Abends zu feiern. Diese Spontan-Partys hatte die zurückhaltende Susanne immer sehr geliebt. Sie war als Jens’ Freundin wie selbstverständlich in die fröhliche Runde einbezogen und genoß die unbeschwerte Atmosphäre, die sich ganz natürlich entwickelte. Sie mußte als Pfarrerin oft genug für gute Stimmung sorgen, war verantwortlich für das Gelingen einer Veranstaltung. An diesen Abenden konnte sie einfach dabeisein und feiern. Susanne überlegte. Es war schon länger her, daß Jens so eine Party inszeniert hatte. «Wann feierst du denn wieder eine Absacker-Party?» fragte sie.
Jens wirkte zerstreut. «Wieso?» Susanne trank einen Schluck Weißburgunder. «Du hast lange nicht mehr gefeiert. Warum eigentlich nicht?» Jens knallte sein Glas auf den Tisch. «Party, du hast nur Party im Kopf», sagte er zornig. «Ich kämpfe hier um den Schwalbacher Hof, um meine Existenz, und du willst Jux und Dollerei. Ja, als Kir-chenbeamtin kann man sich das Feiern vielleicht leisten, aber ich muß hart für mein Geld kämpfen.» Er kippte seinen Gin Tonic in einem Zug herunter. Jetzt kamen Susanne wirklich die Tränen. «Jens, so hab ich das wirklich nicht gemeint.» Sie weinte. Jens war erschrocken. «Liebling, tut mir leid.» Er nahm Susanne in die Arme. Sie schluchzte leise. «Ich steh unter einem solchen Druck, bitte sei nicht sauer. Ich liebe dich doch.» Er küßte ihr Haar. «Überhaupt, du hast recht, es ist viel zu lange her, daß wir hier gefeiert haben. Jetzt gerade finde ich es wirklich ziemlich stressig, aber nächste Woche, da könnten wir wieder feiern.» Jens schaute Susanne in die Augen, küßte ihr die Tränen von den Wangen. «Komm, Schätzchen, sei mir nicht böse.»
Susanne lächelte zaghaft. Wie er sie jetzt anschaute, mit seinem jungenhaften Lächeln, da ging ihr das Herz auf. Sie liebte diesen Mann! Wenn sie nur wüßte, was ihn be-drückte. Sie streichelte seine Wange. «Was hast du nur, Jens, du weißt doch, ich hab dich lieb.» Jens nickte. Einen Augenblick schien es Susanne, als ob auch ihm die Tränen in die Augen steigen würden. Er öffnete den Mund, als ob er ihr etwas sagen wollte. Doch der Augenblick war so schnell vergangen, daß Susanne schließlich an ihrer Wahr-nehmung zweifelte. «Was hältst du von einem ‹Maistrom-Spezial›, Susanne?» fragte er mit einem verschmitzten Lächeln. «Den kreiere ich jetzt extra für dich.» Susanne schniefte kurz, dann küßte sie Jens ganz lange und intensiv. «Ja, bitte. Und sag mir einfach, was dich bedrückt. Ich habe dich doch lieb, und ich möchte doch mit dir tragen, was schwer ist.» Jens drückte Susannes Kopf an seine Schulter. «Klar, Liebling. Wir beide, wir gehören doch zusammen.» Susanne sah nicht, daß Jens jetzt wirklich Trä nen in den Augen hatte.
* * *
«Arne, bist du’s?» Tanjas Stimme krächzte durch den Hörer. «Du klingst so anders.» «Verdammt noch mal Tanja, weißt du, wie spät es ist? Ich kling wie jeder normale Mensch, den man um halb vier nachts anruft.» «Tut mir leid, aber es geht nicht anders. Ich glaub, ich hab’s.» «Ich glaub im Gegenteil, du hast sie nicht mehr alle!» «Mensch Arne, wach auf. Ich hab schließlich die ganze Zeit gedacht und gearbeitet und gegrübelt und jetzt hab ich es, glaub ich, raus.» «Was denn, verdonnert noch mal?» «Bastille, Arne. Ich weiß, was Bastille bedeutet.» Tanja hörte, wie Arne sich im Bett aufrichtete. «Moment, bist du wirklich sicher?» «Ziemlich sicher.» «Dann mach es bitte nicht so spannend und spuck’s aus.» «Würd ich ja längst, wenn du mich nicht die ganze Zeit beschimpfen würdest. Also, Bas tille, das ist ein Code. Ein Code für eine Zahl. Ich bin drauf-gekommen, als mir Susanne vom Quartettspiel ihrer Neffen erzählt hat. Die fragen sich Jahreszahlen ab, und der Partner muß dann das passende geschichtliche Ereignis sagen. Und ich bin ziemlich sicher, ‹Bastille› steht für 14789 oder 1471789 oder 14071789 oder für 140789 oder für 14071789, oder hab ich das schon gesagt?» Arne stöhnte.
«Wie bitte? Wieso denn das? Und geht es nicht genauer?
Ich dachte, du hast es raus.» Tanja schnaubte. «Mag
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