Und fuehre mich nicht in Versuchung
aus Guß-
beton lauerten rechts und links der Einfahrt und hielten liliengeschmückte Wappenschilder in den Tatzen. Die Dop-pelgarage war als Miniaturausgabe des Hauses gestaltet und hatte eine Größe, die anderenorts für ein kleines Rei-henhaus gereicht hätte. Ein Porsche 911, ein Jaguar XS und ein Mercedes Cabrio parkten in ihrem komfortablen Heim.
Ein rosenbewachsener Torbogen führte in den Garten.
Tanja fielen die rotglitzernden Liegestühle auf, die um einen nierenförmigen Pool gruppiert waren. Reiner Lobschütz und Wiebke Steinmann schienen über großzügige finanzielle Ressourcen zu verfügen – Geschmack besaßen sie ganz offensichtlich nicht. Die Klingel schlug wohltö nend in einem D-Dur-Akkord an. Die Hausherrin öffnete selbst. Wiebke Steinmann war eine schmale, hochgewach-sene Blondine. Sie hatte ihre überschulterlangen weiß blonden Haare zu einer raffinierten Hochsteckfrisur à la Grace Kelly geschlungen und trug einen Hosenanzug, der nur von einer bestimmten norddeutschen Designerin in dieser einfachen und zugleich perfekten Art geschnitten sein konnte. Um den Hals lag eine Perlenkette, einziger Schmuck sonst war ihr Ehering, ein schmaler Platinreif, den sie an der linken Hand trug. Ihre leicht schräg stehenden Augen musterten die beiden Kommissare ohne sichtbare Regung. Wiebke Steinmann war dezent geschminkt.
Sie hatte nur einen Hauch Make-up auf ihre helle Haut gelegt, die meergrünen Augen mit den langen Wimpern waren mit Mascara betont. Die Lippen glänzten leicht in einem zarten Rosé-Ton. Diese Frau schaffte es, daß Tanja an diesem sonnigen Sommertag spontan an den Frühling in englischen Rosengärten erinnert wurde. Wiebke Steinmann war mit Sicherheit auf den besten Schulen erzogen worden. Mit dieser Frau würde Reiner Lobschütz überall neiderfüllte Blicke ernten. Sie war ein Prachtexemplar, hochgezüchtet, exklusiv. Gewiß sprach sie mehrere Sprachen und konnte sich auf einem Empfang über jedes gewünschte Thema angemessen informiert und interessiert unterhalten. Ob es sich nun um die neueste Ausstellung moderner Kunst oder um Hochseefischen handelte – Tanja mutmaßte, daß Wiebke Steinmann der Typ Frau war, der mit einem souveränen Lächeln zu allen Sujets ein intelligentes Gespräch führen konnte und ein geistreiches Bonmot parat hatte. Eigentlich, so fand Tanja, paßte diese elegante Erscheinung nicht in das neureiche Ambiente.
Dazu war sie entschieden zu kultiviert.
Was Wiebke Steinmann dachte, ließ sich noch nicht einmal erahnen. Ihr Gesicht war eine höfliche Maske, die keinerlei Rückschluß auf ihre innere Befindlichkeit zuließ.
Wiebke Steinmann bat Tanja und Arne mit einer leichten Handbewegung ihrer schlanken Finger herein. Die beiden betraten eine Eingangshalle, die, wie konnte es anders sein, mit hellem Marmor ausgelegt war. Wer auch immer dieses Haus geplant und eingerichtet hatte – er hatte nicht die Schulen von Wiebke Steinmann besucht. Neugierig betrachtete Tanja die vornehme Hausherrin. Wie hielt sie es in dieser neureichen Protzumgebung aus? Als ob sie die Gedanken Tanjas ahnen würde, fixierte Wiebke Steinmann sie einen Augenblick so, als ob sie ein unbekanntes Insekt betrachten würde. Die grünen Augen wurden für einen Moment schmal. Dann drehte sie sich um und öffnete eine Glastür, die zum Wohnbereich überleitete. Mehrere weiße Ledersofas mit Marmor-Couchtischen waren im Raum gruppiert. Über einer Sitzgruppe hing ein überlebensgroßes Portrait der Hausherrin in Öl. In einer Ecke stand ein glä serner Flügel. Tanja schauderte es. Und wieder fühlte sie sich durch einen Blick der Hausherrin ertappt. Diesmal war es ein nachdenklicher Blick. «Bitte nehmen Sie Platz.»
Wiebke Steinmann wies auf eine der weißen Ledercouchs.
Arne und Tanja setzten sich auf eine Seite. Wiebke Steinmann stand abwartend an der Hausbar. Tanja bemerkte ihre ausgezeichnete Haltung. Die Steinmann hatte eine natürlich wirkende Grazie, die aber das Ergebnis harten Trainings war. Tanja mutmaßte, daß ihr Gegenüber einen nicht gerin-gen Teil ihrer Zeit in Fitneßstudios und – wie sie – joggend im Gonsenheimer Wald verbrachte. «Möchten Sie etwas trinken?» fragte Wiebke Steinmann. Tanja schüttelte den Kopf. Arne bat um ein Glas Wasser. Wiebke Steinmann öffnete die Hausbar und entnahm dem kleinen Kühlschrank eine Flasche Mineralwasser. Sie goß Arne ein Glas ein, bediente sich selbst mit einem Orangensaft und nahm dann auf der anderen Seite des
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