Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
sind Sie sich so sicher?», will ich wissen.
Heinz zuckt mit den Schultern. «Ich habe Ihnen doch erzählt, dass ich als junger Mensch eine Menge Unfug angestellt habe. Ich war auf der Suche nach Antworten auf die elementaren Fragen. Wer bin ich? Wo komme ich her? Und wo gehe ich hin? Was ist der Sinn des Lebens? Ich habe fünfzehn Jahre investiert, um die Antworten auf diese Fragen zu finden. Und ich habe auf allen Kontinenten danach gesucht.» Er hält kurz inne und scheint seinen Erlebnissen in aller Welt nachzuschmecken. «Wissen Sie, mir sind viele weise Menschen auf meinem Weg begegnet, und ich glaube sogar, dass man einige von ihnen als Heilige bezeichnen könnte. Aber so jemanden wie Abel Baumann habe ich noch nie getroffen. Ich spüre, dass er ein Leuchten in sich trägt, das nicht von dieser Welt ist.»
«Sie verlassen sich ganz allein auf Ihr Gefühl?», frage ich erstaunt.
Heinz sieht mich irritiert an. «Ja. Was denn sonst? Es gibt nichts, das konkreter wäre als Gefühle. Das ist der Grund, warum die Menschen sich nicht nach Erkenntnissen sehnen, sondern nach Liebe, Glück und Freundschaft.»
Ich schweige nachdenklich.
Bevor ich etwas erwidern kann, wird am Ende des Flures eine Tür geöffnet und die in Tränen aufgelöste Maria erscheint. Josef hat einen Arm um sie gelegt. Mit der freien Hand tätschelt er seiner Ehefrau behutsam die Schulter. Christian folgt den beiden. Er wirkt nicht nur gefasst, sondern beinahe beglückt, obwohl er abgekämpft aussieht.
Während Josef Maria langsam zum Ausgang geleitet, überbringt Christian mir die Nachricht, dass Abel nun gerne mich sehen würde.
«War es sehr schwer für Ihre Mutter?», frage ich und schaue der von Weinkrämpfen geschüttelten Maria hinterher.
«Es war ein schmerzliches, aber auch ein reinigendes Gespräch», erwidert Christian und faltet fromm die Hände vor der Brust. «Wie letztlich alle armen Sünder hat auch mein Vater auf dem Totenbett seine Verfehlungen bereut und Abbitte geleistet.»
Heinz und ich wechseln einen kurzen Blick. Wahrscheinlich fragen wir uns beide, was Abels überraschendes Geständnis ausgelöst haben könnte.
«Vater hat zugegeben, dass seine gotteslästerlichen Geschichten nur Erfindungen waren», fährt Christian fort. «Wie wir alle schon lange vermutet haben, wollte er sich damit lediglich vor der Verantwortung für seine Familie drücken. Das ist zwar eine nicht eben rühmliche, aber eine durchaus menschliche Reaktion. Er hätte nur früher die Wahrheit ans Licht bringen müssen. Dann wären seinen Angehörigen und besonders meiner Mutter viele Sorgen erspart geblieben.»
Christian nickt sachte und erhaben. Man weiß nicht, ob er nachdenkt oder mit stiller Begeisterung seinen eigenen Erkenntnissen zustimmt. Er wirkt gerade jedenfalls derart hochmütig und selbstzufrieden, dass mir bei seinem Anblick fast schlecht wird.
«Leider wollte Vater nicht, dass ich ihm die Beichte abnehme. Hoffen wir, dass Gott ihm dennoch seine schweren Sünden verzeiht. Ich werde gleich eine heilige Messe in der Krankenhauskapelle lesen, um die Gnade Gottes für meinen Vater zu erbitten. Sie beide sind herzlich eingeladen, ebenso natürlich auch die übrigen Weggefährten meines Vaters.» Er schaut kurz zu den Artisten, dann nickt er uns aufmunternd zu. «Es würde mich sehr freuen, wenn Sie alle an unseren Gebeten teilnehmen könnten.»
Feierlich schreitet Christian von dannen. Heinz und ich sehen ihm nach.
«Was für ein eitler Pinsel», stößt Heinz zwischen den Zähnen hervor. «Es ist kaum zu glauben, dass er in gewisser Weise Gottes Sohn ist.»
«Ich finde es irgendwie tröstlich, dass selbst Gott Probleme mit seinen Kindern hat», sage ich und mache mich auf den Weg zu Abel.
Das Krankenzimmer ist in trübes Licht getaucht. Als ich die Tür schließe, herrscht augenblicklich Ruhe. Ein leichter Geruch von Desinfektionsmitteln hängt in der Luft. Leise versehen die Diagnosegeräte ihren Dienst. Das monotone Blinken ist irgendwie beruhigend. Noch schlägt Abels Herz also.
«Bist du es, Jakob?», fragt er mit schwacher Stimme.
Das goldene Schwert, das in seiner Brust steckt, zittert ein wenig.
«Ja, ich bin es», sage ich und füge rasch hinzu: «Beweg dich nicht, ich komme zu dir.» Ich habe große Angst, dass sein Herz kollabieren könnte.
Er erinnert an einen Feldherrn, der seine letzte Schlacht geschlagen hat. Ich erschrecke, als ich sein aschgraues Gesicht sehe. Er bemerkt es.
«Ich bin selbst erstaunt, Jakob.
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