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Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Titel: Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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zur Friedhofskapelle gebracht, wo man den Leichnam auf Wunsch der Angehörigen aufbahrte.
    Als Gott dort lag, wich ich nicht von seiner Seite, denn ich glaubte fest daran, dass er plötzlich die Augen öffnen und mich überrascht ansehen würde, als wäre nichts geschehen. Ich glaubte an dieses Wunder, weil ich verstanden hatte, dass die Welt einen Gott braucht. Selbst dann, wenn dieser Gott so unvollkommen ist, dass man ihn kaum von einem begabten Zirkusartisten unterscheiden kann. Am Ende ist nämlich ein zwar ohnmächtiger, aber gütiger Gott immer noch besser als gar kein Gott.
    Ganz nebenbei spekulierte ich natürlich auch auf Gottes Talent für große Auftritte. Eine Auferstehung von den Toten hätte die Liste seiner bisherigen Wundertaten um eine echte Attraktion erweitert. Schon deshalb war ich davon überzeugt, dass Gott es nicht zur Beerdigung von Abel Baumann kommen lassen würde.
    Doch ich habe mich geirrt. Ich sah, wie der Sargdeckel sich über dem leblosen Körper schloss. Ich hörte das Weinen und Wehklagen der Angehörigen und Freunde, die frommen Worte des Zeremonienmeisters Christian und den trägen Trauermarsch, gespielt von schwerblütigen Zirkusmusikern. Und dann sah ich, wie der Sarg sich langsam in die Erde senkte, wie die Trauernden Blumen auf den Sargdeckel warfen, der Familie kondolierten und schließlich nach und nach den Friedhof verließen.
    Jetzt sitze ich immer noch auf einer Bank an seinem Grab. Selbst Maria, Josef und Christian sind schon vor Stunden gegangen. Die Totengräber haben inzwischen eine dicke Schicht Erde auf die sterblichen Überreste Gottes gewälzt. Sie mussten den gefrorenen Boden zertrümmern und mit einem kleinen Bagger auf den Sarg kippen. Fast sah es so aus, als würde die Erde sich dagegen wehren, Gott zu begraben.
    Jetzt ist Stille eingekehrt. Es dämmert bald. Die Luft ist kalt und klar. Von Ferne hört man ab und zu das Explodieren einzelner Feuerwerkskörper, obwohl das neue Jahr erst in ein paar Stunden beginnen wird. Die Menschen scheinen voller Ungeduld darauf zu warten, das alte ablegen und das neue begrüßen zu können.
    Als leichter Schneefall einsetzt, stehe ich auf. Ich habe meine letzten Tränen vergossen und meine letzten Hoffnungen auf ein kleines Zeichen Gottes zusammen mit Abel Baumann begraben. Jetzt ist mir kalt, ich bin müde und hungrig. Vielleicht werde ich mich auch besaufen, ich weiß es noch nicht so genau. In jedem Fall möchte ich nicht erleben, wie der Schnee diesen Ort in den Mantel des Vergessens hüllt. In weniger als einer Stunde wird man Abels Grab nicht mehr von all den anderen hier unterscheiden können. Der frische Schnee wird es so aussehen lassen, als wäre heute nicht einmal jemand hier gewesen.
    Ich wandere eine Weile ziellos durch die Straßen, um einen Ort zu finden, an dem ich allein unter Menschen sein kann. Das ist nicht einfach, denn die meisten Bars und Restaurants sind ausgebucht. Und wer noch einen freien Tisch hat, gibt ihn nur ungern einem einzelnen Herrn, der nicht in Silvesterstimmung zu sein scheint. Da ich den Jahreswechsel nicht allein in Mutters viel zu großem Haus erleben möchte, komme ich auf die Idee, zu Freddys Pizzeria zu fahren. Der Laden ist in einem nicht sehr attraktiven Viertel und hat kaum Laufkundschaft. Außerdem hat Heinz mir gesagt, dass Freddys Frau eine miserable Köchin ist. Falls Freddys Pizzeria also Silvester geöffnet hat, könnte ich dort mit etwas Glück einen Platz finden.
    Meine Kalkulation geht auf. Nur wenige Tische sind besetzt. Ich bestelle eine Flasche Rotwein und eine Pasta, die selbst Freddys Frau Valentina hinbekommen müsste.
    Als ich meinen Blick durch das Lokal schweifen lasse, erkenne ich zu meinem Erstaunen jenes Paar wieder, dessen Hochzeitsfeier genau hier in einem Eklat endete. Offenbar haben die beiden sich versöhnt, denn sie wirken verliebt und glücklich. Und der schmächtige Bräutigam scheint sich auch von der Attacke auf seine Weichteile erholt zu haben. Er sitzt vor einer üppigen Portion Sahnetortellini und isst mit großem Appetit.
    Der Rotwein, den Freddy mir kredenzt, ist ebenso passabel wie die Pasta seiner Frau. Da ich weniger erwartet habe, bin ich angenehm überrascht. Während ich esse, frage ich mich, wie es dem Brautpaar seit der Hochzeit ergangen sein mag, als plötzlich die Schwester der Braut erscheint. Sie begrüßt die beiden sehr herzlich, setzt sich dann dazu und bestellt ebenfalls etwas zu essen.
    Ich bin erstaunt. Haben die drei sich

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