Und ich erobere dich doch!
1. KAPITEL
Angelo van Zaal schaute auf das neun Monate alte Baby hinunter, das die Krankenschwester ihm auf den Arm gelegt hatte. Das winzige Mädchen mit dem blonden Schopf und den hellen blauen Augen sah aus wie eine Porzellanpuppe, und sobald sie ihn erkannte, lachte sie glücklich auf. Die Unschuld in diesem fröhlichen Lächeln schnitt wie ein Messer in Angelos Herz.
Mariskas Start ins Leben konnte kaum schwerer sein. Nur ein blauer Fleck und ein Kratzer auf ihrer Wange zeugten davon, dass sie in ihrem Kindersitz einen Autounfall überlebt hatte, bei dem beide Eltern ums Leben gekommen waren.
„Wie ich verstanden habe, sind Sie nicht blutsverwandt mit Mariska“, sagte die Ärztin an seiner Seite.
„Ihr Vater Willem war mein Stiefbruder. Mein Vater hat ihn bei der Heirat mit seiner Mutter adoptiert, aber ich habe ihn immer als meinen Bruder angesehen und ihn auch so behandelt“, informierte Angelo die Ärztin mit der Sachlichkeit, für die er in der Finanzwelt bekannt war. „Somit gehört Mariska für mich zur Familie. Ich möchte sie so schnell wie möglich adoptieren.“
„Die Sozialarbeiterin, die mit Mariskas Fall betraut ist, erwähnte bereits, dass Sie seit der Geburt Kontakt zu ihr halten …“
„Ich habe getan, was in meiner Macht stand, um Willem und seiner Frau Julie zu helfen. Ich wünschte, es hätte mehr genutzt“, fügte er mit schmalen Lippen hinzu. Ihm war klar, dass das medizinische Personal hier wusste, in welchem Zustand Mariskas Eltern zum Zeitpunkt des Unfalls gewesen waren. Er war dankbar, dass die traurige Wahrheit bisher noch nicht in allen Zeitungen zu lesen stand.
Angelo van Zaal ist wirklich ein höchst attraktiver Mann, dachte die Ärztin mit einem bewundernden Blick auf ihn. Er war zudem extrem reich, und ihm eilte der Ruf eines großzügigen Wohltäters und Gönners voraus. Nichtsdestotrotz war der erfolgreiche Stahlmagnat berüchtigt für seinen scharfen Geschäftssinn und seine Unnachgiebigkeit bei Verhandlungen.
Wollte man der Presse glauben, versüßte eine ganze Parade von internationalen Topmodels ihm die Zeit, wenn er einmal nicht arbeitete. Von seiner spanischen Mutter hatte er das schwarze Haar und die dunkel getönte Haut geerbt, von seinem holländischen Vater die blauen Augen, strahlend wie helle Saphire. Ein dichter Kranz von langen schwarzen Wimpern verlieh diesen Augen eine geradezu hypnotische Wirkung. Groß, über einen Meter neunzig, mit einer höchst ansehnlichen Statur, hatten ihn auf dem Weg zur Kinderstation die mehr oder weniger heimlichen Blicke sämtlicher weiblicher Wesen begleitet, sowohl vom Personal wie auch von den Patienten. Und soweit die Ärztin wusste, war er auch noch immer ledig …
„Mariskas Tante hat sich bereits mehrere Male bei uns nach dem Mädchen erkundigt. Flora Bennett ist wohl Julies ältere Schwester.“
Angelos Züge verhärteten sich. Gleichzeitig blitzte ein Bild vor ihm auf – Augen in der Farbe von Smaragden, makellose Haut, cremig weiß wie Milch, und ein voller roter Mund, bei dem ein Mann automatisch in erotische Tagträumereien verfiel. Flora, ein großer schlanker Rotschopf, verfügte über Kurven, die jedem weniger erfahrenen Mann ernsthaft zusetzen würden …
Unerbittlich schüttelte Angelo das unerwünschte Bild ab. „Halbschwester“, korrigierte er leise. „Sie und Julie hatten denselben Vater.“
Er hätte noch sehr viel mehr sagen können, doch er hielt sich zurück. Seine negative Meinung über die mütterliche Seite von Mariskas Familie ging niemanden etwas an, das war Privatsache. Damals, als Willem die schwangere Julie Bennett hatte heiraten wollen, hatte Angelo Erkundigungen über die Engländerin und ihr Umfeld einziehen lassen, und seine starken Bedenken waren bestätigt worden.
Wären da nicht Julies Neigungen gewesen, könnte Willem noch am Leben sein, davon war Angelo überzeugt. Und was er gleichzeitig über ihre ältere Halbschwester erfahren hatte, war auch nicht dazu gedacht, um Vertrauen zu erwecken. Die Erkundigungen hatten nämlich auch den Skandal aus Floras Vergangenheit aufgedeckt. Vor einigen Jahren hatte sie wohl versucht, mit anrüchigen Taktiken ihre berufliche Karriere zu beschleunigen.
Obwohl Flora rein äußerlich sehr viel erinnerungswürdiger war als ihre eher durchschnittlich aussehende Halbschwester, hatte sie doch bereits bewiesen, dass sie nichts anderes als eine Goldgräberin war. Angelo würde alles daransetzen, um Mariska vor ihrem Einfluss zu schützen.
Weitere Kostenlose Bücher