... und ich höre doch!: Ein technologisches Abenteuer zwischen Silicon Valley und den Alpen (German Edition)
wurde. Ich war etwas enttäuscht, da ich immer noch glaubte, mein Zustand würde sich eines Tages bessern; dann würde ich den Test bestehen und wieder zu den „normalen“ Kindern gehören. Aber das passierte nie.
Ich verlor mein Hörvermögen wahrscheinlich allmählich in meiner frühen Kindheit. Da ich häufig krank war, musste ich immer wieder zum Arzt und lag häufig im Bett, mit hohem Fieber, geschwollenen Drüsen, chronisch wiederkehrenden Ohrinfektionen. Was genau die Ursache meines Gehörverlusts war, werde ich nie wissen. Ich zeigte auch allergische Reaktionen auf Antibiotika. Heute sind sich die Ohrenspezialisten (Otologen) einig, dass mein Gehörverlust höchstwahrscheinlich durch hohes Fieber oder eine ototoxische Reaktion auf Antibiotika oder durch beides hervorgerufen wurde, wobei eine ototoxische Reaktion auf Gentomyocin am ehesten in Frage kommt. Allerdings ist es letztlich egal, wie ich mein Gehör verlor. Das Resultat bleibt das gleiche.
„Der Bub ist schwerhörig! Schwerhörig, Mrs. Ball! Er wird viel, viel Hilfe brauchen, Mrs. Ball! Ganz viel Hilfe“, schrie die Audiologin.
Mit elf hatte ich mich schon daran gewöhnt, dass immer wieder Hörverlust festgestellt wurde, aber diese Audiologin tat das mit geradezu überschwänglichem Eifer. Jedes Mal, wenn mein Vater einen anderen Job bekam oder die Krankenversicherung wechselte, wurde mein Gehörverlust unweigerlich wieder von einem neuen Audiologen „entdeckt“. Als ich daher von dieser seltsam begeisterten Audiologin getestet wurde, hatte ich schon genug Erfahrungen mit diesen Tests. Ich weinte nicht mehr wie am Anfang, als man mir mitteilte, dass ich ein gravierendes Problem hätte. Ich hatte nicht mehr diesen Kloß im Hals, ich dachte nicht mehr, mein normales Leben sei für immer vorbei und ich müsse in eine Spezialschule gehen, nein, diesmal wurde ich wütend.
„Das wissen wir, verstehen Sie. Wir wissen, dass ich nicht hören kann. Was ist mit Ihnen los? Es ist wirklich nicht cool, sich bei dieser Diagnose so aufzuführen!“, schrie ich sie zornig an. Ich war wirklich wütend. Ihr Benehmen war einfach lächerlich.
Die Audiologin, die noch jung war, erstarrte. Meine Mutter stand hinter ihr und runzelte die Stirn.
Ich dachte mir: Na toll, jetzt krieg ich es wieder ab. Doch als wir im purpurnen Mercedes nach Hause fuhren, erklärte mir Mom, dass nicht ich der Grund ihres Ärgers war, sondern die Enthusiastische.
„Geoff“, sagte Mom, „manchmal werden sich die Leute verrückt aufführen und dumm auf deine Schwerhörigkeit reagieren. Das ist aber nicht deine Schuld.“
„Mom“, antwortete ich, „ich will nicht wieder zu der gehen. Die versteht das nicht.“
„Okay, wir werden schauen, was wir tun können.“ Und damit brachte mich Mom zurück zur Schule.
Ich hasste meine „Taubheit“. Sie machte mir Angst. Soweit ich das mitbekam, versuchten die Ärzte, eine ernsthafte Erkrankung auszuschließen. Obwohl ich nicht wusste, was Worte wie „Akustikusneurinom“ und „Tumor“ bedeuteten, war mir doch klar, dass diese Worte nichts Gutes verhießen. Was, wenn sich mein Zustand verschlimmern und ich den letzten Rest meines Gehörs verlieren würde?
Die Diagnose Gehörverlust war schrecklich, und durch all die Untersuchungen fühlte ich mich noch schrecklicher. Selbst heute, in der Rückschau, wird mir flau im Magen, und ich werde nervös, wenn ich daran denke. Es ist das Gefühl, etwas Kostbares verloren zu haben, das man nie wieder zurückbekommt, sosehr man auch versucht hat, es zu behalten. Die Situation schien hoffnungslos, düster, bedrohlich. In den ersten Wochen nach der Diagnose verbrachte ich Stunden um Stunden mit Hör- und Sprechtests in schallgeschützten Räumen. Ich konnte mich bemühen, wie ich wollte, das Resultat war immer gleich: Verdammt! Schon wieder beim Test durchgefallen. Nach ein paar Monaten hörten die Tests auf und ich nahm mein normales Leben wieder auf, aber dieses flaue Gefühl blieb mir erhalten.
Vielleicht war einer der Gründe, weshalb ich meine Schwerhörigkeit so hasste, das damit verbundene Stigma. Üblicherweise werden Personen mit Gehörverlust mit dem althergebrachten Terminus „taubstumm“ bezeichnet. Ich weiß nicht, woher dieser Ausdruck kommt, vielleicht weil viele geistig oder sonst in ihrer Entwicklung Gestörte auch an Hörverlust leiden. Es könnte auch daher kommen, dass Personen mit Gehörverlust oft die richtige Antwort auf die falsche Frage geben. So machen wir manchmal
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