Und immer wieder Liebe Roman
Freundlichkeit und Rat finden. Sie werden weder verwirrt sein wie im Buchkaufhaus, noch eingeschüchtert wie in Antiquariaten, wo man Bücher wie Denkmäler behandelt und sie betrachten, aber nicht berühren darf. Mein Laden wird ein menschliches Antlitz haben. Ich werde für eine Kaffee-Ecke sorgen und sie mit gebrauchten Möbeln ausstatten. Du müsstest für das erste Jahr die Buchführung übernehmen. Und mir bitte mit deinen verdammten Zahlen wegbleiben.«
Obwohl ich nur noch ein gedemütigtes Häuflein Elend war, versuchte ich, seinen zynischen Kommentaren und seiner Strategie
der steten Demoralisierung etwas entgegenzusetzen. Ich musste ihn überzeugen.
»Dein Enthusiasmus ist rührend, meine Liebe, aber ich versichere dir, dass die Welt, das Leben und sogar die Reproduktionsbemühungen der Tiere um die verdammten Zahlen kreisen.«
»Die einzige Alternative wäre, es zu verkaufen. Das hieße, es zu töten. Vorsätzlicher Totschlag.«
Tiefes Einatmen. Pause. Er schreckt vor der Tat zurück. Vielleicht.
»Du würdest einen Haufen Geld dafür bekommen. Fünfundneunzig Quadratmeter mit Zwischengeschoss mitten im Zentrum sind Pi mal Daumen mehr als eine Million Euro wert. Aber okay, ich versuche es. Ich werde mir die Sache anschauen und eine Machbarkeitsstudie erstellen. Einige meiner Kunden arbeiten im Literaturbetrieb, und ich möchte dir deinen Traum nicht zerstören. Ich möchte nur, dass du nicht deine Ersparnisse verspielst. Du hast einen Sohn zu versorgen und erfreust dich bester Gesundheit, meine Liebe.«
Mein Alberto! Er ist eben doch ein wahrer Bruder, erst recht, da ich selbst keine Brüder mehr habe. Mit einem Ausdruck der Resignation hatte er sich vom Tisch erhoben, war zur Tür gegangen und hatte mich dann mit einem sardonischen Grinsen erstarren lassen, demselben Grinsen, das meine beste Freundin an den Altar getrieben hatte. Alberto ist groß, hat eine faszinierende Ausstrahlung und immer noch dichtes Haar, das ihn nicht als Mann der Wirtschaft zu erkennen gibt. Trotz seines rationalen und rechthaberischen Auftretens ist er im Grunde ein sanfter, großzügiger Mensch. Er hatte mich umarmt und zum Abschied gesagt: »Du solltest unbedingt auch den verpatzten Liebesgeschichten ein Regal widmen. Die sind, statistisch gesehen, häufiger als die glücklichen.«
Das Regal der »gebrochenen Herzen« im Obergeschoss – es trägt ein vergoldetes Schildchen – ist ihm gewidmet. Ihm, dem Geschäftsmann, der mir den Rücken freihält, sich um Strichcodes und Rechnungen kümmert und es mir ermöglicht, Verkäufe und Bestellungen handschriftlich zu erfassen. In meiner Buchhandlung fehlt tatsächlich jede Spur eines Computers. Seit ich gelesen habe, dass mindestens zwanzig Millionen Italiener von der modernen Kommunikationstechnologie enorm gestresst sind und dass die Lektüre von E-Mails und SMS den Intelligenzquotienten senkt, habe ich die allerbesten Gründe, ohne E-Mail-Adresse auszukommen. Ich gönne mir das Vergnügen, immer nur eine Sache gleichzeitig zu tun. Mich daran zu gewöhnen, war so schwierig, wie einen Kopfstand zu erlernen, aber jetzt bin ich stolz darauf. Eine Ecke habe ich den Hinterlassenschaften meiner Tante Linda gewidmet – ein Sammelsurium aus pastellfarbenen Umschlägen, Briefpapier mit Veilchenbordüre, haufenweise Caran-d’ Ache-Bleistiften mit weicher Mine, Tintenfässern, Heften mit schwarzem Deckblatt und roter Umrandung, Schwammkissen zum Anfeuchten von Briefmarken, Beuteln mit Gummibändern, roten Siegellackstangen, Heftklammern und Stecknadeln mit bunten Köpfen, Filzlappen zum Abwischen von Tafeln, Radiergummis, Dosen und Fläschchen mit altmodischen Papierklebern und einem vereinzelten roten Lederranzen mit einer Klappe aus Pferdeleder und eingearbeitetem Etui. Im Hinterzimmer der Schreibwarenhandlung habe ich eine Lettera 22 von Olivetti gefunden, ein nicht funktionstüchtiges Juwel, das nun dank der Aufmerksamkeit des einzigen Mailänder Spezialisten, dem solche Schreibmaschinen noch am Herzen liegen, einen Ehrenplatz bei den Briefen bekommen hat.
Mattia ist das einzige Familienmitglied, das mich unterstützt hat: »Das Absurdeste, was einem Sohn passieren kann, der noch
nicht einmal seine Schulbücher von ihrer Zellophanhülle befreit hat, ist eine Buchhändlerin zur Mutter«, hat er gesagt.
Jetzt geht es mir gut, inmitten meiner Liebesgeschichten. Sie lösen sich nicht auf in ein Spinnennetz von Falten, und sie belästigen mich auch nicht mit ihren Sorgen und
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