Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
Breslau. Lange sah es so aus, als ob er sterben müßte. Ich bekam die Erlaubnis, ihn zu besuchen – Frauen von Offizieren erhielten eine solche Erlaubnis damals noch.«
    »Sie fuhren mit dem Kind – fast sechs Jahre war es damals, nicht wahr? – also nach Breslau?«
    »Ja. Wir fanden ein Zimmer in Untermiete. Und ich blieb bei meinem Mann. Langsam, ganz langsam besserte sich sein Zustand. Die Front kam immer näher. Wir hatten dauernd Luftangriffe. Die Postverbindung zu Valerie riß ab, Briefe gingen verloren … Und dann, Februar 1945, mußten wir hinaus auf die Straßen, denn die Russen kamen. In einem Treck fuhren wir westwärts, dann nordwärts … immer beschossen von Tieffliegern … in eisiger Kälte … in Schneestürmen … die kleine Irene … mein immer noch schwerkranker Mann … Zuletzt landeten wir in Lüneburg. Da mußte Hans sofort wieder in eine Klinik – die Strapazen waren zu groß für ihn gewesen. Er erlitt einen Totalzusammenbruch. Die alten Wunden begannen zu eitern. Neue Operationen waren nötig. Das ganze Jahr 45 lag mein Mann in der Klinik. Ich arbeitete dort als Putzfrau …«
    »Konnten Sie denn nicht nach Österreich zurück?«
    »Mein Mann war erst Ende des Jahres soweit, daß er die lange Reise riskieren durfte. Sie wissen ja nicht, wie man damals reiste! Und wieder im Winter … Wir kamen über Wien …«
    »Da sahen Sie dann Ihre Schwester endlich.«
    »Ja, da sah ich sie. Ein Gespenst, mehr tot als lebendig, erschütternd, Herr Aranda! Richtig verwirrt kam Valerie mir vor. Was hatte sie mitgemacht! Ihr Mann, den sie so liebte, war bei einem Luftangriff auf London ums Leben gekommen – ein britischer Offizier hatte ihr im Sommer 45 die Nachricht gebracht. Ihr Mann, mit dem sie nach dem Krieg wieder zusammenleben und glücklich sein wollte! Aber nicht nur das. Heinz …«
    »Ja?« Manuel richtete sich auf.
    »Eine ganz böse Sache. Dieser elende Prozeß hatte ihn der Mutter entfremdet.«
    »Wieso?«
    »Ich weiß es nicht genau. Es war zu Zerwürfnissen gekommen, zu Streit. Er hatte ihr dauernd Vorwürfe gemacht … Es war nicht möglich, von Valerie eine klare Schilderung zu erhalten. Sie wog knapp fünfzig Kilo und schien dauernd am Umkippen. Jedenfalls war ihr der Sohn, den sie mit so viel Mühe durch die Nazizeit gebracht hatte, davongelaufen.«
    »
Davongelaufen?
«
    »Irgendwohin aufs Land. Er arbeitete bei Bauern. Er wollte nicht mehr bei der Mutter wohnen. Und er wartete nur darauf, daß die Kanadier Auswanderer ins Land ließen. Nun, 1947 ist er dann ja auch ausgewandert … und ein Jahr später umgekommen in Quebec, bei einem Autounfall … Wenn jemand ein schweres Leben geführt hat, dann war es Valerie! Und nun dieses Ende … dieses furchtbare Ende! Was für ein Geheimnis schleppte Valerie
noch
mit sich herum? Was kann es gewesen sein? Was, Herr Aranda, was?«
    Ja, was …
    Manuel preßte die Stirn gegen die kalte Fensterscheibe des Zugabteils. Er fühlte sich plötzlich todmüde, völlig erschöpft. Nur mit Mühe saß er aufrecht. Vor seinen Augen flimmerten Lichter in der Finsternis. Die Achsen der Räder schlugen gehetzt und laut.
    Was ist los mit mir? dachte Manuel. Ich kann nicht mehr richtig sehen, nicht mehr richtig hören, mir ist so unheimlich. Die Luft im Abteil, die zu warme Luft. Ich will auf den Gang hinausgehen. Da werde ich mich besser fühlen, da werde ich …
    Ohne einen Laut sackte Manuel Aranda zusammen.
    Im nächsten Moment schon war Frohner aufgesprungen und hatte den Reglosen an den Schultern gepackt, um zu verhindern, daß er auf den Boden kippte.
    Der schwarzhaarige Gamitz zog schnell die Rollvorhänge an den Abteilfenstern, die zum Gang sahen, herab und befestigte sie, dann trat er zu Frohner, hob Manuels Kopf und drückte eines der geschlossenen Augenlider hoch.
    »Der ist bedient«, sagte Gamitz zufrieden.
    »Noch neun Minuten bis Klagenfurt«, sagte Frohner. »Klappt wie am Schnürchen. Los, hilf mir.« Er hatte Manuels Kamelhaarmantel vom Haken genommen. Die beiden Männer richteten den Bewußtlosen halb auf, hielten ihn fest und mühten sich, seine schlenkernden Arme in die Mantelärmel zu bringen.
    »Diese Zigaretten sind erste Klasse«, sagte Gamitz. »Wirken in so kurzer Zeit. Die haben uns schon was Feines gegeben.«
    »Sind ja keine Idioten«, sagte Frohner. »Er hat aber auch brav sofort eine genommen.«
    »Wo ist der Stummel?«
    »Im Aschenbecher.«
    Frohner fischte das Ende heraus und steckte es in die

Weitere Kostenlose Bücher