Und Jimmy ging zum Regenbogen
Wie sein Kollege und wie Manuel hatte er kein Gepäck. Die beiden Reisenden zogen ihre schweren Wintermäntel aus und nahmen die Hüte ab. Es waren große, kräftige Männer – höchstens Mitte der Dreißig. Der eine hatte braunes, der andere schwarzes Haar.
»Guten Abend, Herr Aranda«, sagte der Braunhaarige mit einer kleinen Verneigung. Er lächelte. »Erschrecken Sie nicht. Das hier …« – er wies auf seinen Begleiter – »… ist Inspektor Gamitz. Ich bin Inspektor Frohner. Beide vom Sicherheitsbüro Wien.«
»Habe die Ehre«, sagte der Schwarzhaarige, der Gamitz hieß. Die Männer wiesen Metallmarken vor.
»Sicherheitsbüro?« Manuel hob die Brauen.
»Wir sind schon mit Ihnen nach Villach heruntergefahren heute früh«, sagte Frohner. »Sie haben uns nicht bemerkt?«
»Nein …«
»Wir waren auf dem Gang draußen und im Nebenabteil«, sagte Gamitz.
»So wenig Aufsehen wie möglich, hat der Herr Hofrat uns eingeschärft.«
»Der Hofrat Groll?«
»Ja.«
»Ich habe ihm erzählt, daß ich heute nach Villach fahren wollte …«
»Na eben! Da hat er uns dann abkommandiert.«
»Aber warum?«
»Zu Ihrem Schutz«, sagte Gamitz.
»Damit Ihnen ja nichts zustößt«, sagte Frohner. »In Wien passen wir ja auch ein bissel auf Sie auf.« Er lächelte wieder. »Andere Kollegen. Haben Sie auch noch nicht gemerkt?«
»Nein.«
»Tja, der Herr Hofrat hat das so angeordnet. Er ist besorgt um Sie, wissen Sie.«
Guter alter Groll, dachte Manuel abwesend. Seine Gedanken waren noch immer bei Martha Waldegg.
»Na, und jetzt, wo es Nacht wird und Sie allein sitzen in dem Abteil, da haben wir gedacht, es ist besser, wir kommen zu Ihnen. Es inkommodiert Sie doch nicht?«
»Überhaupt nicht.«
»Sehr schön«, sagte Frohner. Er setzte sich und entfaltete eine Zeitung. »Sie sollen sich durch uns nicht gestört fühlen.«
Der Zug ruckte an.
Bald fuhr er schnell. Villach blieb zurück. Manuel sah aus dem Fenster. Streckenlampen flogen vorbei. Im Augenblick schneite es nicht, doch der Sturm wurde immer ärger. Entfernt wanderten Autoscheinwerfer über Landstraßen, und noch weiter fort, schwächer und verloren, blinkten Lichter aus den Fenstern einsamer Gehöfte …
»Dank dir schön«, sagte Frohner plötzlich.
Manuel sah in das Abteil.
Frohner hatte eben eine Zigarette aus einem Päckchen genommen, das Gamitz ihm hinhielt. Der rauchte selber. »Oh«, sagte Frohner höflich, »entschuldigen Sie. Herrgott, und das war jetzt die letzte in der Packung!«
»Warten Sie, Herr Aranda. Ich habe noch welche.« Gamitz griff in seine Jackentasche.
»Wirklich, das ist sehr liebenswürdig, aber ich …«
»Hier, bitte, bedienen Sie sich. Österreichische Marke!« Gamitz nannte einen Namen. »Sind ausgezeichnet. Werden Ihnen schmecken. Bitte – sonst können wir auch nicht rauchen!«
»Nun also dann – vielen Dank.« Manuel griff nach dem neuen Päckchen, das Gamitz geöffnet hatte. Frohner knipste ein Feuerzeug an.
»Gut, wie?« fragte er, Manuel mit einem Lächeln betrachtend.
»Ausgezeichnet«, sagte Manuel. Die Zigarette schmeckte würzig und herb. Er inhalierte den Rauch und blies ihn durch die Nase wieder aus.
»Ich lasse das Päckchen am Fensterbrett liegen«, sagte Gamitz höflich, »Bedienen Sie sich, bitte.« Er holte ein schmales Buch hervor und streckte die Beine aus. Frohner hob wieder seine Zeitung. Die beiden Männer begannen zu lesen.
Manuel zog an der Zigarette. Er sah in die Nacht, zu den vorüberfliegenden Lichtern und den Schneewirbeln hinaus, die der Zug hochriß. Der fuhr jetzt sehr schnell. Das Fenster spiegelte. Manuel erblickte sein Gesicht. Der Waggon rüttelte plötzlich heftig, als der Zug über Weichen schoß. Die Lokomotive stieß einen langen Schrei aus. Auch in dem stillen, altmodisch eingerichteten Zimmer, in dem Manuel mit Martha Waldegg gesprochen hatte, war immer wieder das Pfeifen von Lokomotiven auf der nahen Bahnstrecke und das Rollen von Rädern zu hören gewesen …
»Jetzt wissen Sie alles, Herr Aranda …« Die Stimme der Dreiundsechzigjährigen hatte belegt geklungen. »Jetzt kennen Sie das Geheimnis. Mein Mann und ich, wir lieben Irene! Für Hans ist sie sein Ein und Alles. Es würde ihm das Herz brechen, wenn er nach all den Jahren noch hinter den Betrug käme. Darum war ich so voller panischer Angst. Können Sie das nun verstehen?«
»Ja«, hatte Manuel gesagt.
»Ich habe Ihnen voller Vertrauen alles erzählt, Herr Aranda. Bitte enttäuschen Sie dieses
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