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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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jawohl … Weil ich Juden hasse … Sie sind das größte Gift unter den Völkern … Nein, daran glaube ich fest … In der Hitlerjugend? Einer von den besten und eifrigsten war ich, das kann mein Fähnleinführer bezeugen … Der schlimmste Tag? Als ich erfuhr, daß mein Vater Jude ist natürlich … Da habe ich auch begriffen, warum wir uns nie verstanden haben …«
    Weiter, Heinz, weiter, mehr so …
    »Herrn Landau? Mit
dem
habe ich mich
immer
verstanden! Mit dem habe ich
reden
können! Das war ein guter Deutscher, ein wirklich anständiger Mensch … Der glücklichste Tag in meinem Leben? Als meine Mutter mir gesagt hat, daß Herr Landau mein Vater ist und nicht der andere … dieser Jude …«
    Der Kurator Dr. Hubert Kummer, der denkt: Aus jetzt die Packelei mit dem Richter. Der soll sehen, wie er allein weiterkommt. Ich muß mich korrekt verhalten, streng korrekt. Fehlte noch, daß hier etwas schiefläuft und ich einen Rüffel bekomme, eine Rüge, einen Verweis, etwas Schlimmeres. Wo ich endlich die große Kanzlei und die Wohnung von diesem Dr. Blaustein, der in meinem Bezirk alles an sich gerissen hatte, endgültig überschrieben erhielt. Nach der Arisierung haben mich die Kollegen, die lieben, immer wieder angegriffen deshalb, und es hat vier Jahre gedauert, bis ich mir alles aufgebaut habe. Vorsichtig also jetzt. Ist ja ein prächtiger Junge. Muß man anständig behandeln. Auch gegen die Mutter muß ich höflich sein. Da habe ich mich hinreißen lassen. Und
wenn
sie lügt! Und
wenn
das da ein Halbjud ist! Aber hat er Glück, und die Untersuchungen fallen günstig für ihn aus? Nein, nein, das kann ich mir nicht leisten.
    »Sie hassen also Ihren Vater, Herr Steinfeld?«
    »Meinen
sogenannten
Vater! Jawohl, den hasse ich, Herr Direktor. Mehr als alles andere auf der Welt hasse ich ihn!«
    Ja, gut so, Heinz, gut so, weiter so. O Gott …
    »Wenn ich hören würde, daß er tot ist?
Überhaupt nichts
würde ich empfinden! Er ist doch nicht mein Vater! Herr Landau ist doch mein Vater!« Wie düster dieser Landau mich anstarrt, denkt der Kurator Kummer unruhig. Der brütet auf Rache. Ich muß da sofort etwas tun.
    »Herr Vorsitzender, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf … Wir haben nun alle Beteiligten vor uns … den Paul Israel Steinfeld nur in Form von Fotos … Aber die Fotos zeigen nach meinem Dafürhalten zahlreiche unverkennbare Eigenarten der jüdischen Rasse. Der junge Mann da, Herr Vorsitzender, scheint mir von diesen Eigenarten absolut frei zu sein. Absolut … Ich möchte unter diesen Umständen den Antrag stellen, erbbiologische und anthropologische Sachverständige herbeizuziehen und …«
    »Diese Entscheidung treffe immer noch ich, Herr Doktor, nicht wahr? Ich leite die Verhandlung.«
    Rechtsanwalt im Dritten Reich! Ein feiner Beruf! Wenn sie einem wenigstens immer genau sagen würden, wie sie es gern haben wollen, was für einem Recht man das Wort reden soll …
    »Ich wollte wirklich nicht vorgreifen, Herr Vorsitzender, aber ich denke doch, ich werde den Antrag stellen …«
    Jetzt lächelt mich diese Steinfeld zum erstenmal an. Zurücklächeln, los! Was lächeln die so? denkt der Landgerichtsdirektor Gloggnigg. Weiß der Kummer, dieser Scheißer, vielleicht mehr als ich? Ist der schon sicher, wie die Untersuchungen ausgehen werden? Dann wäre ich der Blamierte, wenn ich hier weiter herumbrülle. Das ist natürlich eine einzige Komödie, die man mir hier vorspielt, aber der Junge sieht wirklich arisch aus, und wenn nun auch noch die Blutgruppen stimmen …
    »Herr Steinfeld, bitte nehmen Sie Platz.«
    »Jawohl, Herr Direktor.« Die Hacken klappt er zusammen, der Junge, zur Zeugenbank marschiert er. Ernst sieht er dabei seine Mutter an. Und die denkt:
›Bitte‹
hat das Vieh gesagt, Paul,
›bitte‹!
Zu unserem Buben! ›Bitte nehmen Sie Platz!‹ Paul, Paul, halt uns die Daumen jetzt, geliebter Paul …

9
    »… also das war die Hölle, Herr Direktor, die reinste Hölle, ich schwör es Ihnen! Krach bei Tag und Krach bei Nacht, wenn er zu Hause war, der Herr Steinfeld! Er ist nämlich oft wochenlang weggeblieben, auch wenn er nicht verreist gewesen ist … Andere Frauen hat der gehabt, immer andere Frauen, das kann ich beschwören!«
    Die Agnes trägt ihr feinstes schwarzes Kleid, einen Kapotthut auf dem Haar, den Mantel hat sie ausgezogen, sie ist hochgradig erregt, munter, sie möchte am liebsten andauernd reden.
    »Warum sind Sie denn in einem solchen Haushalt

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