Und Jimmy ging zum Regenbogen
Forster, die Agnes und Martin Landau, sie alle haben Mühe, ruhig sitzen zu bleiben und nicht nach vorne zu stürzen und sie zu umarmen und zu küssen und zu streicheln, diese Hermine Lippowski, die nun einem stirnrunzelnden Richter Gloggnigg berichtet, was für ein Teufel der Paul Israel Steinfeld gewesen ist, und wie
sie
Valerie Steinfeld und Martin Landau sozusagen richtig zusammengebracht hat mit Andeutungen und Reden und indem sie beide Augen zudrückte, als er dann immer kam, wenn Paul Steinfeld fort war, besonders damals, im Sommer 1925, als es passiert sein muß, daß Martin Landau die Frau Steinfeld geschwängert hat, der Mann war doch verreist, monatelang, mit zwei, drei ganz kurzen Besuchen dazwischen.
»Zeugin Lippowski, was Sie da sagen, das können Sie auf Ihren Eid nehmen?«
»Selbstverständlich, Herr Direktor.«
Und alle stehen auf, und Gloggnigg spricht die Formel, und Hermine Lippowski, die Valerie vor wenigen Monaten ins Gesicht geschrien hat, daß sie nicht den kleinen Finger für sie krumm machen würde, wiederholt die letzten Worte des Richters: »Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!« Danach, entlassen, setzt sie sich an das äußerste Ende der Zeugenbank, so weit wie möglich entfernt von den anderen. Ihre Hände hängen herab, zusammengesackt sitzt sie da, mit tragischem Gesichtsausdruck starrt sie auf den Boden.
Und die Zeugen neben ihr, Forster, Valerie, sehen sie an, kurz, scheu, erschrocken.
Was ist mit dieser Frau geschehen?
Was?
Richter Gloggnigg wühlt, plötzlich von Sodbrennen und Gereiztheit befallen, in den vielen Papieren, die vor ihm liegen.
»Unvollständig … die Ahnentafeln sind ja noch absolut unvollständig«, knurrt er.
»Wir haben die Dokumente noch nicht erhalten, Herr Vorsitzender.«
Forster steht auf. »Sie werden nachgereicht, sobald sie in unseren Händen sind.«
»Wenn wir sie dann noch brauchen«, knurrt Gloggnigg.
Es klopft.
»Herein!« ruft der Richter böse. Diese Sache läuft nicht so, wie er es sich dachte. Gar nicht so …
Die Tür öffnet sich. Da steht, groß und kräftig, in einem Frühjahrsmantel mit Pelzkragen, einen breitkrempigen Hut auf dem Kopf, dunkeläugig, schmallippig, ein Taschentuch an die rechte, geschwollene Wange gepreßt, Ottilie Landau.
»Tilly!« ruft ihr Bruder. Er springt auf.
»Setz dich«, sagt sie. Und laut und etwas undeutlich zu Gloggnigg: »Ich bin Frau Landau. Ich habe eine Vorladung zu diesem Abstammungsprozeß erhalten. Ein Gerichtsdiener draußen hat mir gesagt, ich soll nicht lange warten, sondern mich gleich melden.«
Der Kurator Kummer glotzt.
Valerie starrt Tilly an.
Alle starren Tilly an, nur Hermine Lippowski nicht. Die nimmt überhaupt keine Notiz mehr von dem, was um sie her vorgeht.
»Aber Sie haben doch eine ärztliche Entschuldigung geschickt.« Selbst Gloggnigg ist um seine Überheblichkeit gebracht. »Sie sind doch krank. Sie konnten doch angeblich nicht kommen.«
»Es fiel mir sehr schwer, Herr Richter«, erklärt Tilly. »Ich hatte noch große Schmerzen heute morgen. Aber dann schluckte ich Pulver, und es wurde besser. Ich sagte mir, daß ich herkommen müsse.« Sie blickt ihren Bruder an, der erschauert. »Es ist eine
zu
wichtige Angelegenheit. Ich
muß
da meine Aussage machen.«
»Verflucht noch mal!« flüstert Forster.
Valerie sieht Tilly Landau mit schreckgeweiteten Augen an.
Aus, denkt sie. Alles aus. Diese Tilly ist eine Fanatikerin. Die erzählt jetzt die ganze Wahrheit und beschwört sie auch noch …
11
»Das ist auch wirklich die Wahrheit, Frau Landau?« fragt Richter Gloggnigg.
»Ich kann nichts anderes sagen, Herr Direktor. So war es.« Tilly Landau steht hoch und aufrecht vor dem Richtertisch, das Taschentuch immer an die Wange gepreßt.
»Ihr Bruder hat …«
»Mir alles gebeichtet, jawohl.«
»Wann? Sagen Sie es noch einmal!«
»Im Frühherbst 1925, als positiv feststand, daß Frau Steinfeld schwanger war. Da ist er zu mir gekommen und hat gesagt, er sei ihr Geliebter, schon lange, und nun sei er auch der Vater ihres ungeborenen Kindes.«
»Und Sie, was haben Sie gesagt?« Gloggnigg ist schwer verärgert.
»Ich war entsetzt!« behauptet Tilly Landau. »Einmal überhaupt – ich habe vielleicht etwas altmodische Moralbegriffe. Und ich konnte Valerie Steinfeld nie leiden.«
»Und trotzdem kommen Sie heute hierher, obwohl Sie krank sind, und sagen für sie aus – in ihrem Sinn?«
»Nicht für
sie,
Herr Richter! Für meinen
Bruder!
Ich will nicht, daß
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