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...und noch ein Küsschen!

...und noch ein Küsschen!

Titel: ...und noch ein Küsschen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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ansetzen, sodass die Spielskala von fünfhundertfünf bis fünfhundertfünfundzwanzig reicht. Für den, der glaubt, die richtige Zahl liege weiter nach oben oder nach unten, gibt es natürlich noch das ‹obere Feld› und das ‹untere Feld›, die beide gesondert versteigert werden. Also, wir ziehen die erste Nummer aus dem Hut   … Hier   … Fünfhundertzwölf?»
    Im Salon wurde es still. Die Menschen saßen regungslosauf ihren Stühlen, alle Augen waren auf den Auktionator gerichtet. Eine gewisse Spannung lag in der Luft, und sie wuchs mit jedem Betrag, der genannt wurde. Hier handelte es sich nicht mehr um ein Spiel oder einen Spaß; das verriet schon die Art, wie jemand, der überboten worden war, seinen Widersacher musterte – lächelnd zwar, aber nur mit den Lippen lächelnd, während die Augen wachsam und völlig kalt blieben.
    Nummer fünfhundertzwölf wurde bei einhundertzehn Pfund zugeschlagen. Die nächsten drei, vier Nummern brachten etwa das Gleiche ein.
    Das Schiff schlingerte und stampfte. Jedes Mal wenn es überkrängte, knackte die Holztäfelung an den Wänden, als wollte sie bersten. Die Passagiere hielten sich an den Sessellehnen fest und konzentrierten sich auf die Versteigerung.
    «Unteres Feld!», rief der Auktionator. «Wir kommen jetzt zum unteren Feld.»
    Mr.   Botibol richtete sich auf. Sehr gerade, sehr steif saß er jetzt da. Er hatte beschlossen zu warten, bis niemand mehr bieten wollte; dann würde er einsteigen und das letzte Gebot machen. Seiner Berechnung nach musste er noch mindestens fünfhundert Dollar auf der Bank haben, wahrscheinlich sogar etwas mehr. Das waren gut und gern zweihundert Pfund. Höher würde bei dieser Nummer bestimmt niemand gehen.
    «Wie Sie alle wissen», sagte der Auktionator, «umfasst das untere Feld
jede
Zahl, die tiefer liegt als die untere Eckzahl, in diesem Fall jede Zahl unter fünfhundertfünf. Wenn Sie also meinen, das Schiff wird in den vierundzwanzig Stunden von heute Mittag bis morgen Mittag weniger als fünfhundertfünf Meilen zurücklegen, dann sollten Sie versuchen, sich diese Nummer zu sichern. Nun, wer bietet?»
    Die Gebote stiegen sofort auf einhundertdreißig Pfund. Mr.   Botibol schien nicht der Einzige zu sein, der bemerkt hatte, dass schlechtes Wetter war. Einhundertvierzig   … fünfzig   … Dann nichts mehr. Der Auktionator hob den Hammer.
    «Einhundertfünfzig zum Ersten   …»
    «Sechzig!», rief Mr.   Botibol. Jedes Gesicht im Saal wandte sich ihm zu und starrte ihn an.
    «Siebzig!»
    «Achtzig!», rief Mr.   Botibol.
    «Neunzig!»
    «Zweihundert!», rief Mr.   Botibol. Um nichts in der Welt hätte er jetzt aufgehört.
    Eine Pause trat ein.
    «Bietet jemand mehr als zweihundert Pfund?»
    Sitz still, ermahnte er sich. Sitz ganz still und sieh nicht hoch. Es bringt Unglück, wenn du hochsiehst. Halt die Luft an. Niemand überbietet dich, solange du die Luft anhältst.
    «Zweihundert Pfund zum Ersten   …» Der Auktionar hatte einen kahlen rosigen Schädel, auf dem kleine Schweißperlen glitzerten. «Zum Zweiten   …» Mr.   Botibol hielt die Luft an. «Und   … zum Dritten!» Der Hammer fiel auf den Tisch. Mr.   Botibol schrieb einen Scheck aus und überreichte ihn dem Assistenten des Auktionators. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, um das Ende abzuwarten. Er konnte doch nicht zu Bett gehen, bevor er wusste, wie viel der Gesamteinsatz betrug.
    Als die Versteigerung beendet war, zählte man das Geld und kam auf zweitausendeinhundert und einige Pfund. Das waren ungefähr sechstausend Dollar. Neunzig Prozent der Summe gingen an den Gewinner, zehn Prozent an eine Stiftung für Seeleute. Neunzig Prozent von sechstausend waren fünftausendvierhundert. Nun –das genügte. Er konnte den Lincoln kaufen und behielt sogar noch etwas übrig. Mit diesem erfreulichen Gedanken ging Mr.   Botibol glücklich und erwartungsfroh in seine Kabine.
    Als er am nächsten Morgen erwachte, blieb er einige Minuten mit geschlossenen Augen liegen, um dem Tosen des Sturmes, dem Krachen und Knarren des schlingernden Schiffes zu lauschen. Kein Sturm war zu hören, kein Krachen, kein Knarren. Das Schiff schlingerte nicht. Er sprang aus dem Bett und lugte durch das Bullauge. Das Meer – o Gott – war spiegelglatt. Das große Schiff durchfurchte die See mit voller Kraft und holte offensichtlich die während der Nacht verlorene Zeit auf. Mr.   Botibol drehte sich um und ließ sich langsam auf den Rand der Koje sinken. Ein leichtes

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