...und noch ein Küsschen!
abgehärteter Seeleute aßen und tranken.
Sie hatten ihre Mahlzeit noch nicht beendet, als sie an einer leichten Reibung zwischen sich und den Stuhlsitzen merkten, dass das große Schiff von neuem zu schlingern begann. Zuerst war es nur ein langsames, sanftes Wiegen, aber es genügte, die Atmosphäre im Saal sofort zu verändern. Einige Passagiere blickten von ihren Tellern auf, zögerten weiterzuessen, warteten, ja lauschten beinahe auf das nächste Schlingern und lächelten nervös, einen Schimmer heimlicher Angst in den Augen. Andere blieben völlig ungerührt, wieder andere behaupteten prahlerisch, gegen die Seekrankheit immun zu sein, und machten Witze über das Essen und das Wetter, um diejenigen zu quälen, die sich bereits elend fühlten. Die Bewegungen des Schiffes wurden immer schneller, immer heftiger, und schon fünf oder sechs Minuten nach dem ersten Schlingernrollte es schwer von einer Seite auf die andere. Die Passagiere versteiften sich in ihren Stühlen und versuchten, wie in einem Auto, das eine Kurve nimmt, den Druck durch Gegendruck unwirksam zu machen.
Dann kamen die ersten sehr starken Stöße. Mr. William Botibol, der am Tisch des Zahlmeisters saß, sah seinen Teller mit gekochtem Steinbutt und holländischer Soße plötzlich unter der Gabel weggleiten. Die Unruhe der Passagiere nahm zu, jeder griff nach Tellern und Weingläsern. Mrs. Renshaw schrie auf und umklammerte den Arm des Zahlmeisters, ihres Nachbarn zur Linken.
«Wird ’ne schlimme Nacht werden», meinte der Zahlmeister und blickte Mrs. Renshaw an. «Ich glaube, da braut sich etwas zusammen.» In seiner Stimme schwang eine Spur von Schadenfreude mit.
Ein Steward eilte herbei und befeuchtete das Tischtuch zwischen den Tellern mit Wasser. Die Aufregung legte sich, die meisten Passagiere aßen weiter. Ein paar, unter ihnen auch Mrs. Renshaw, erhoben sich vorsichtig und steuerten mit einer Art unauffälliger Hast zwischen den Tischen hindurch auf die Tür zu.
«Hm», sagte der Zahlmeister. «Da geht sie hin.» Er blickte beifällig auf diejenigen seiner Herde, die ruhig sitzen geblieben waren und unverhohlen den selbstgefälligen Stolz zur Schau trugen, den Passagiere darin zu setzen scheinen, als seefest zu gelten.
Nach dem Essen wurde der Kaffee serviert. Mr. Botibol, der ungewöhnlich ernst und nachdenklich geworden war, stand auf, nahm seine Tasse und ging um den Tisch herum zu Mrs. Renshaws leerem Platz. Er setzte sich, beugte sich zu dem Zahlmeister und sagte in eindringlichem Flüsterton: «Ach bitte, dürfte ich Sie wohl etwas fragen?»
Der Zahlmeister, klein, dick und rotgesichtig, wandte sich ihm zu. «Na, wo fehlt’s denn, Mr. Botibol?»
«Die Sache ist so …» Seine Miene war, wie der Zahlmeister feststellte, äußerst besorgt. «Ich würde gern wissen, ob der Kapitän schon die Strecke berechnet hat, die das Schiff bis morgen Mittag zurücklegen wird – für die Tageswette, verstehen Sie? Ich meine, ob er’s getan hat, bevor es so auffrischte.»
Der Zahlmeister, der irgendeine vertrauliche Mitteilung privater Natur erwartet hatte, lächelte und lehnte sich zurück, um seinen vollen Bauch zu entspannen. «Das möchte ich eigentlich annehmen», erwiderte er. Obwohl er fand, dass kein Grund zum Flüstern vorlag, senkte er – wie immer, wenn man ein Flüstern beantwortet – unwillkürlich die Stimme.
«Und wann, glauben Sie, hat er die Strecke berechnet?»
«Irgendwann am Nachmittag. Das ist so seine übliche Zeit.»
«Um wie viel Uhr etwa?»
«Ach, ich weiß nicht. So gegen vier, würde ich sagen.»
«Nun verraten Sie mir noch etwas. Wie kommt der Kapitän zu dem jeweiligen Ergebnis? Macht er deswegen viel Umstände?»
Der Zahlmeister betrachtete lächelnd Mr. Botibols sorgenvolle Miene. Er wusste genau, worauf der Mann hinauswollte. «Nun, der Kapitän bespricht sich mit dem Navigationsoffizier, sie studieren die Wetterlage, berücksichtigen auch noch so manches andere und ziehen aus alledem ihre Schlüsse.»
Mr. Botibol nickte und grübelte über diese Antwort nach. Dann sagte er: «Glauben Sie, der Kapitän hat gewusst, dass sich das Wetter heute Abend verschlechtern würde?»
«Da fragen Sie mich zu viel, Mr. Botibol.» Der Zahlmeister blickte in die kleinen schwarzen Augen seines Nachbarn und sah, dass Fünkchen der Erregung in ihnen tanzen. «Wirklich, das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.»
«Wenn der Sturm noch stärker wird, wäre es vielleicht
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