Und oben sitzt ein Rabe
hellgrauen, kurzärmeligen Bluse, stellte Tassen zurecht und goß Kaffee ein. Mit Genuß verschüttete sie eine mittelgroße Menge: auf Baltasars Kimono. »Oh, das tut mir aber leid. Hab ich dich verbrüht?«
Baltasar grunzte, stand auf und watschelte nach nebenan. Korff, ein grauhaariger, mittelgroßer Mann mit scharfer Nase und müden, braunen Augen lächelte sie an und wies aus dem Fenster.
»Einen hübschen kleinen Garten haben Sie, gnädige Frau«, sagte er. Dabei rührte er mit der anderen Hand, die den Löffel hielt, in seinem Kaffee.
Baltasar erschien wieder. Er hatte den bekleckerten gelben Kimono gegen etwas womöglich noch Schrecklicheres ausgetauscht, nämlich eine grellrosa Latzhose, zu der er jedoch keineswegs ein Hemd trug, und barfuß war er noch immer. Fettwülste quollen allenthalben ins Freie. Als er sich gesetzt hatte, verschränkte er die Hände hinter dem Kopf. Korff betrachtete die buschigen Achselhöhlen, nahm einen Schluck Kaffee aus seiner Tasse und verschluckte sich.
Moritz, der neben ihm auf der Couch saß, klopfte ihm auf den Rücken. »Machen Sie sich nichts draus. Er ist immer so.«
Nachdem Korff sich freigehustet hatte, warf er Ariane einen Blick zu, der um Verzeihung zu bitten schien. »Sind Sie ganz sicher, Herr von Morungen, daß wir hier richtig sind?«
Moritz bleckte die Zähne. »Nein, ich bin sicher, daß wir hier falsch sind. Aber es ist, so wie ich es sehe, zunächst einmal die einzige Möglichkeit.«
Korff bewies Charakter. »Herr Matzbach, wie mir Herr Morungen berichtet, hat Hauptkommissar Ziegler ihn gebeten, bitte nicht ›diesen widerwärtigen Fettwanst‹ anzuschleppen. Ich gestehe, daß ich nun begreife, was er damit meinte, und daß ich dem Hauptkommissar von Herzen zustimme.«
Moritz kniff die Augen zusammen, und Ariane gluckste leise.
Baltasar verzog keine Miene. »Vielleicht erzählen Sie mir einfach, was los ist. Beleidigungen können wir hinterher noch reichlich austauschen. Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, daß Sie wie ein Jurist aussehen?«
Moritz beugte sich vor. Er klopfte auf den Tisch. »Ruhe auf den billigen Plätzen. Wollen wir zur Sache kommen?«
Korff nickte und wandte sich an Ariane. »Darf ich rauchen, gnädige Frau?«
Ariane reichte ihm Zigaretten, Moritz gab ihm Feuer.
Baltasar erkundigte sich: »Aber inhalieren können Sie selbst?«
Korff überhörte das. Er nahm noch einen Schluck Kaffee, dann begann er zu sprechen.
»Herr von Morungen meinte, Sie seien der richtige Mann für diese etwas unangenehme Sache ...«
Moritz unterbrach. »Wenn Sie erlauben, würde ich gern schnell zusammenfassen, Herr Korff.«
Korff nickte. Moritz fixierte Baltasar.
»Also«, sagte er, »ein Freund von mir, Andreas Goldberg, ist innerhalb weniger Tage arbeitslos geworden und hat sich von seiner Frau getrennt. Seine Frau ist zu einem anderen Mann gezogen, und zwar Anfang der Woche. Am Donnerstag früh, also vorgestern, war Andreas mit ihr dort, in ihrer neuen Behausung, verabredet, um irgendwelche Finanzgeschichten zu klären. Als er ankam, das war so gegen halb neun, wurde er von der Polizei empfangen. Kurz nach sieben, wahrscheinlich, sind die Frau und ihr Neuer, übrigens ein Anwalt, im Bett erschossen worden. Nun ist das Problem folgendes: Andreas ist arbeitslos, seine Frau hatte eine brauchbare Lebensversicherung, deren Nutznießer Andreas wäre; außerdem hat sie ihn verlassen – so sieht es die Polizei –, und man hat gehört, daß sie und Andreas sich gestritten haben. Andreas hätte also mehrere Motive – Geld, Eifersucht, gekränkte Eitelkeit, was weiß ich. Deshalb haben sie ihn zuerst vorläufig festgehalten, und inzwischen liegt ein ordentlicher Haftbefehl vor.«
Baltasar verzog das Gesicht. »Nun ja, solche Dinge sollen vorkommen. Aber wo ist das Problem?«
Korff übernahm die Fortführung. »Das Problem liegt darin, daß Herr Goldberg sagt, er sei unschuldig, daß er es nicht beweisen kann, daß andererseits eine ganze Menge Indizien gegen ihn vorliegen.«
»Also langsam«, sagte Baltasar.
Ariane, die ihn beobachtete, stellte fest, daß seine Augen leuchteten.
»Was sagt Goldberg, und was sind die Indizien?«
Korff drückte seine Zigarette aus. »Goldberg hat am Mittwoch seinen Großvater besucht ...«
Moritz warf ein: »Der wohnt irgendwo in den Bergen, allgemeine Richtung Westerwald.«
»Er hat dort übernachtet und ist gegen sechs Uhr morgens oder kurz danach von dort wieder abgefahren. Der Großvater bestätigt das auch.
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