Und oben sitzt ein Rabe
gerade den Kopf darüber zerbrichst, wie du mir möglichst schonend ein paar Dinge sagen sollst.«
Baltasar streichelte sie und grinste. »Du machst das richtig gut. Mach weiter bitte.«
»Eigentlich sollte ich dich hängenlassen. Ich glaube, ich lasse dich hängen. Du mußt das schon selbst tragen.«
Baltasar verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Wozu, wenn du es doch schon weißt?«
»Bist du sicher, daß ich es weiß?«
Er seufzte. »Na schön. Du bewohnst den Vorzugsplatz in meinem Herzen. Das ist so seit einem Jahr. Das kann auch die nächsten hundert Jahre so weitergehen. Ich bin nur nicht dazu geschaffen, tagtäglich mit jemandem zusammenzuleben. Nun stelle ich es mir zwar sehr angenehm vor, mit dir ein paar Tage oder Wochen irgendwohin zu fahren; ich fürchte aber, daß dann irgendwann die Frage auftaucht, ob wir nicht unseren Kram zusammenschmeißen sollen. Und dann müßte ich dir weh tun, und das will ich nicht. Und das wäre dann auch der Schluß.«
Ariane musterte ihn einige Sekunden schweigend.
»Du hast das schon öfter erlebt, ja?« sagte sie dann.
Baltasar breitete die Arme aus. »Wie sollte ich nicht? Schließlich neige ich nicht zur Askese. Askese ist eine der wenigen Formen geschlechtlicher Perversion, für die ich nichts übrig habe.«
»Sehr interessant.«
»Sauer?«
»Ein bißchen.«
»Warum?«
»Na, sauer ist nicht das richtige Wort. Ich bin nur ein bißchen enttäuscht darüber, daß du mich nach einem Jahr so wenig kennst. Meinst du, ich brauche keinen Freiraum, oder ich laß von heut auf morgen meinen Job sausen und verkauf meine Tochter, nur um dauernd in deiner Nähe zu sein?«
Baltasar beugte sich vor, lächelnd, faßte Ariane bei beiden Ohren und drückte ihr einen schmatzenden Kuß auf die Stirn. »Okay, erledigt. Wann fahren wir wohin?«
Etwa eine Stunde später klingelte das Telefon. Ariane erhob sich vom Boden, wo sie und Baltasar mit Landkarten beschäftigt waren, und ging zum Apparat.
»Binder. – Ah, Moritz, grüß dich. Wie geht's? ... Danke, mir geht's ausgezeichnet ... Ja, der Dicke ist hier. Moment!« Auffordernd bewegte sie den Hörer.
Matzbach erhob sich seufzend. »Nicht einmal am Wochenende ist man vor diesen Kanaillen sicher. Vor allem, wo ich doch nie Wochenende habe.« Er nahm Ariane den Hörer aus der Hand. »Ja, was ist los?«
Er lauschte eine Weile schweigend, dann brabbelte er unverständliche Laute vor sich hin. »Na ja, na schön, aber nur, weil du es bist«, sagte er schließlich. »Reicht Montag?« Moritz ließ offenbar eine längere Rede los; Baltasar seufzte. »Muß das sein?«
Er wandte sich Ariane zu. »Hör mal, hast du Einwände gegen baldigen Kaffeebesuch?«
Ariane blickte von den Karten auf. »Wer? Moritz?«
»Und ein Rechtsanwalt.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ziemlich exotischer Besuch. Von mir aus.«
Baltasar rümpfte die Nase. »Was ist an Moritz und einem Anwalt exotisch? Banal, würde ich eher sagen. Hörst du, du mieses Subjekt? Ich denke nicht daran, einen Schritt vor die Tür zu machen. Das Wetter ist viel zu schön, um es in seiner Beschaulichkeit zu stören. Also pack deinen Juristen ein und komm her. Was? Ja, sofort.«
Ariane grinste. »Gut, daß ich nicht zu deinen Freunden zähle. Ich hätte dich aus lauter Zuneigung längst umgebracht und ausgestopft. Wann kommen sie?«
»Sofort. Viertelstunde oder so.«
Sie erhob sich wieder vom Boden und faßte mit spitzen Fingern ihren Bademantel an. »Vielleicht sollten wir uns anziehen.«
Baltasar machte »P« mit sehr viel Luft und einer ärgerlichen Grimasse. »Wenn ich anfange, mich für fremde Leute an- oder auszuziehen, kannst du meinen Nachruf aufsetzen.«
»Mach, was du willst. Da das hier meine Wohnung ist, bin ich, was mich angeht, anderer Meinung.« Sie boxte ihn freundlich in den Magen. »Außerdem siehst du süß aus in deinem widerlichen Kimono.«
Zwanzig Minuten später trafen Moritz und der Anwalt ein. Moritz, lang, schlaksig und nervös wie immer, stellte seinen Begleiter vor.
»Das ist Herr Korff«, sagte er, »mit Doppel-Eff. Frau Binder. Der da drüben, in diesem komischen Kaftan, ist der eminente Kriminalist Matzbach.«
Korff verbeugte sich höflich vor Ariane und musterte Matzbach, der sich ächzend von der Couch erhob. Baltasar stapfte barfuß um den Couchtisch herum und reichte Korff die Hand. »Kommen Sie«, sagte er, »setzen Sie sich.« Moritz' ausgestreckte Hand übersah er.
Ariane, angetan mit einem knielangen Jeansrock und einer
Weitere Kostenlose Bücher