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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Mastodon im Garten?«
    »Nein, das nicht. Sein Haustier flucht.«
    Matzbach legte den Kopf schief. »Was tut es? Es flucht?«
    »Richtig, und zwar geläufig. Außerdem ist es mindestens genauso bösartig wie du.«
    »Ich und bösartig? Pah. Nun sag schon, was mit dem Tier los ist. Ein bissiger, fluchender Sägefisch vielleicht?«
    Moritz schüttelte den Kopf und grinste. »Nein. Lieber Baltasar: Andreas besitzt einen alten, räudigen Raben. Dieser flucht und ißt gern Kaviar mit Marmelade oder Erdbeertörtchen mit Senf.«
    Baltasar strahlte. »Ein erfreuliches Tier. Fast neige ich dazu, an die Unschuld dieses Mister Goldberg zu glauben. Hast du noch was dazu zu sagen?«
    Moritz nickte triumphierend. »Ja. Der räudige Rabe mit dem widerlichen Geschmack heißt Poe.»
    Baltasar atmete tief durch. »Alles klar. Dann ist Goldberg unschuldig.«

5. Kapitel
    Die abendliche Unterhaltung mit der Verkäuferin Sylvia überließ Baltasar mit Vergnügen Ariane, die keine Lust hatte, zu Hause zu bleiben. Mit Vergnügen insofern, als Sylvia bei Baltasars Anblick in schallendes Gelächter der Kategorie »höhnisch« ausbrach. Er begab sich daraufhin in die nächstgelegene Kneipe und meditierte in einen Wein hinein, bis Ariane zu ihm stieß.
    Nachdem sie sich gesetzt und ebenfalls einen Wein bestellt hatte, sagte sie: »Ist nicht viel bei rausgekommen.« Sie musterte Baltasar spöttisch. »Nach deinem ekelhaften Benehmen heute nachmittag gönne ich dir eigentlich das Gelächter dieser Dame von Herzen.«
    Baltasar verneigte sich im Sitzen. »Ich danke dir für deine freundlichen Widmungen. Du labst meine Seele. Deine Worte gehen mir runter wie warme Galle.«
    Ariane nickte. »So soll es auch sein. – Sie weiß nichts. Außer einer kleinen Sache, die vielleicht ganz interessant sein könnte.«
    Baltasar spielte mit seinem Feuerzeug und wartete.
    »Dieser Robert Naumann hatte Mittwoch abend einen wichtigen und reichlich geheimnisvollen Termin, von dem er sich viel versprach. Er hat, kurz vor Goldberg, im Laden angerufen und Irene Goldberg mitgeteilt, daß er deswegen nicht mit ihr essen oder sonstwas könnte.«
    Baltasar verschränkte seine Hände und stützte sein Kinn auf den derart gebildeten Hügel. »Aha.« Nach einer kleinen Pause setzte er hinzu: »Ich begreife eine ganze Reihe von Dingen nicht.«
    Ariane klatschte in die Hände. »Das ist aber schön. Der allwissende Matzbach begreift etwas nicht. Daß ich das noch erleben durfte!«
    Baltasar grinste. »Hab ich dir wieder eine kleine Freude bereitet? – Ernsthaft: Da ist einmal die Geschichte mit der Tankstelle. Ich kann mir zwar vorstellen, daß jemand morgens früh bei schönem Wetter völlig verträumt durch eine Landschaft fährt und nicht mehr genau weiß, wo er überall gewesen ist. Aber bei dem Polizeiaufgebot in dieser Republik müßte das doch feststellbar sein. Immerhin kommen zur Zeit auf einen Kommunisten hierzulande ungefähr hundert Polizisten.«
    Ariane nickte. »Das mag wohl sein, aber Goldberg ist kein Kommunist. Warum sollte man also hundert Polizisten mit der Überprüfung seiner Ausflüge beauftragen?«
    Baltasar runzelte die Stirn. »Dann kommt noch hinzu, daß, wenn eine Boutiquenbesitzerin und ein Rechtsanwalt ermordet werden, und zwar im Bett des Anwalts, man nicht unbedingt davon ausgehen muß, daß die Schüsse der Dame gelten.« Er kniff die Augen zusammen, bis sie aussahen wie die eines angetrunkenen Stachelschweins. »Ich denke mir da etwas Simples und Unerfreuliches. Die Bonner Kripo ist personell unterbesetzt und überbelastet. Daher ist es verwunderlich, daß überhaupt Ergebnisse zustande kommen, und nicht, daß so viele Fälle ungeklärt bleiben. Ich könnte mir denken, daß unser lieber Freund Ziegler den vorbeispazierenden Andreas Goldberg, der ein Motiv und kein Alibi hat, am liebsten knutschen würde. Damit hat Ziegler einen Spatz in der Hand. Warum soll er aufs Dach klettern und Ringeltäubchen suchen?«
    »Fühlst du dich nicht wohl?«
    »Wieso?«
    »Na, deine Bilder! Was haben Spatzen und Tauben mit Morden zu tun? Du hast schon bessere Vergleiche erfunden. Und du hast schon andere Leute für derartige Vergleiche, wie du eben einen produziert hast, der Sprachlosigkeit geziehen.«
    Baltasar schob die Unterlippe vor. Er sah aus wie ein trotziges Kind nach einer Tracht Prügel. »Ah bah. So fallen meine gestrigen Tugenden heute in Form gegenwärtiger Laster auf mein schütteres Haupt. Vielleicht sollte ich auswandern und in Australien

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