Und oben sitzt ein Rabe
Nun hätte Goldberg innerhalb etwa einer dreiviertel Stunde in Bonn sein können. Er sagt, er sei erst kurz nach acht in Bonn eingetroffen und vorher ziellos und verträumt durch die Gegend gefahren.«
Baltasar nickte. »Das heißt, er hätte um sieben schießen können, wäre dann gegangen und gegen halb neun wieder aufgetaucht, ja?«
»So sieht der Hauptkommissar die Sache. Goldberg war gegen acht, halb neun mit seiner Frau verabredet, wie er zugibt und wie von anderer Seite bestätigt wurde. Motiv und Gelegenheit hatte er also durchaus. Nun kommt hinzu, daß in der Wohnung, in der der Doppelmord geschah, reichlich Fingerabdrücke von Goldberg gefunden wurden, obwohl er nach seinen Aussagen die Wohnung nie betreten hat. Außerdem hat die Polizei in seiner Wohnung einen Schlüssel gefunden, und zwar einen Schlüssel zur Wohnung, in der diese Tragödie sich ereignet hat.«
Alle schwiegen einen Moment. Dann sagte Ariane nachdenklich: »Also, dieser Goldberg hätte zur fraglichen Zeit dasein können, hätte einen oder mehrere Gründe gehabt, seine Frau umzubringen, ist nie in der Wohnung gewesen, hat dort trotzdem Fingerabdrücke hinterlassen, hat einen Schlüssel – das ist doch alles ganz schön überzeugend, oder?«
Korff nickte. »Bedauerlicherweise ja. Goldberg hat zwar für alles eine einigermaßen plausible Erklärung, aber da sprechen so viele Dinge gegen ihn ...«
Baltasar räusperte sich. »Wohl wahr. Es sind schon Leute für sehr viel weniger gehängt worden.«
Korff blickte ihn streng an. »Bei uns gibt es keine Todesstrafe, Herr Matzbach.«
Baltasar winkte ab. »Warten Sie. Wie ich unsere Landsleute kenne, wird sie demnächst wieder eingeführt. – Was sagt Goldberg denn zu den einzelnen Punkten?«
Moritz kratzte sich den Kopf. »Na, was soll er sagen? Die Fingerabdrücke, sagt er, sind leicht zu erklären. Sie sind sämtlich an Gegenständen, die bis vor ein paar Tagen noch in seiner Wohnung, beziehungsweise der gemeinsamen Wohnung, gestanden haben und die er zum größten Teil mit verpackt hat. Für den Schlüssel hat er keine Erklärung. Er meint, in der Wohnung wären noch so viele Sachen, die seiner Frau gehören und die er nicht in allen Einzelheiten kennt, dazu gehört auch der Schlüssel.«
Baltasar steckte die Hände unter den Latz der Hose und kratzte sich am Bauch. Ein häßliches Geräusch füllte den Raum. »Hat er zu seinem Motiv vielleicht auch was zu sagen?«
Moritz nickte. »Ja, und das glaube ich ihm sogar. Er sagt, er ist froh, endlich von seiner Frau getrennt zu leben. Auch, daß seine Firma pleite gemacht hat, kratzt ihn nicht weiter. Er meint, jetzt kann er endlich mal in Ruhe ein paar Bücher lesen, mit Leuten reden und so weiter. Geldsorgen habe er nicht, zumindest keine großen. Erstens kriegt er ja Arbeitslosengeld, demnächst jedenfalls. Das ist zwar wesentlich weniger, als er bisher verdient hat, und damit kann er sich die teure Wohnung nicht mehr leisten, aber die wäre ohnehin in dieser Form und in dieser Lage und in dieser Preisklasse ein Wunsch seiner lieben Irene gewesen, und er wolle sehen, ob er nicht eine kleinere Altbauwohnung in der Nordstadt oder in Poppelsdorf findet.«
Baltasar grinste. »Da muß er sich aber beeilen. Wie ich die Stadtväter kenne, werden sie sich bemühen, schnell alles abzureißen, was deinen Goldberg interessieren könnte.«
Moritz grunzte. »Was das Geld angeht, fehlt noch zweitens. Er hat ein paar tausend Mark auf der Bank. Ein Teil davon läuft auf den Namen seiner Frau, deshalb hatte er sich mit ihr am Donnerstag verabredet, um das alles auseinander-zupusseln. – So, das wär's. Oder hab ich was vergessen, Herr Korff? Nein? Na gut. Was hältst du davon, Baltasar?«
Matzbach zündete sich eine Zigarre an. »Im Moment noch nichts«, sagte er paffend. »Ich müßte erst ein bißchen mehr wissen. Was hat die Frau gemacht, was hat Goldberg gemacht, bevor er arbeitslos wurde, wie lange waren die beiden verheiratet, wer ist der Nachfolger gewesen und so weiter.«
In den folgenden Minuten erfuhr er weitere Einzelheiten. Als die Rede auf die Boutique kam, runzelte er die Brauen. »Hm, gleich zwei Uhr, das ist zu spät für heute. Oder kennt ihr die Adresse von dem Mädel? Gibt es Telefon in dem Laden?«
Korff zückte sein Notizbuch. »Ja. Die Nummer ...«
»Moment. Darf ich?« Als Ariane, verblüfft ob der jähen Aktivität, noch mehr ob der jähen Höflichkeit, nickte, stand Baltasar auf und ging zum Telefon. Korff nannte die
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