Und Rache sollst du nehmen - Thriller
unpraktisch Imries Tod für Sie oder irgendwen sonst ist. Lassen Sie mich verdammt nochmal in Ruhe! Gehen Sie doch zur Abwechslung mal ein paar Verbrecher jagen! Dafür werden Sie schließlich bezahlt!«
Sie lächelte. Wie gerne hätte ich ihr das Lächeln aus dem hübschen Gesicht radiert.
»Stimmt, dafür werde ich bezahlt. Aber manche würde ich sogar umsonst fangen. Liebend gerne.«
Das ließ sie wieder mal im Raum stehen. Sie wollte mich herausfordern, aber sie wusste nichts. Sie konnte gar nichts wissen.
»Na, dann machen Sie mal. Und belästigen Sie mich erst wieder, wenn Sie auch was zu sagen haben.«
»Ich werde auf Ihr Angebot zurückkommen.«
»Wundervoll. Und jetzt verpissen Sie sich bitte.«
Sie blickte mich an. Sie durchbohrte mich mit ihren harten braunen Augen. Sie wusste etwas, das sie gar nicht wissen konnte.
Dann schenkte sie mir ein letztes Lächeln und ein kurzes Nicken, drehte sich auf dem Absatz um und ließ mich stehen.
Ich sah ihr hinterher, bis ihr Rücken in den Schatten
der Merchant City verschwunden war. Da wusste ich, was ich tun musste. Es gab keine Alternative.
Die zuckersüße Rachel war zu nah dran. Sie war zu intelligent. Zu hartnäckig.
Es musste noch ein Mensch sterben.
49
Auf dem Küchentisch lag ein Zettel: Sie würde um fünf nach Hause kommen. Abendessen im Kühlschrank, falls ich großen Hunger hätte, ansonsten könnten wir zusammen essen.
Ich konnte warten. Ich wollte warten.
Unzählige Male hatte ich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um bloß nicht mit ihr essen oder, schlimmer noch, mit ihr reden zu müssen. Jetzt war mein größter Wunsch, hier zu sein, wenn sie heimkam, und mit ihr an einem Tisch zu sitzen.
Über Sarah wollte ich immer noch nicht sprechen. Über Trunkenheit am Steuer auch nicht. Ebenso wenig über Wallace Ogilvie oder den sogenannten Cutter. Ich wollte keine alten, eiternden Wunden aufreißen. Ich wollte welche heilen.
Unzählige Male hatte ich kein Wort herausgebracht, ob über die kritischen Themen oder über andere. Ich ertrug es einfach nicht, dazusitzen und am Leben zu sein, ich fühlte mich schuldig. Wie konnte ich weiteratmen, nachdem es mir nicht gelungen war, den einzigen Menschen zu beschützen, für den ich wirklich Verantwortung trug? Das war meine Aufgabe, meine Pflicht gewesen. Und ich hatte versagt.
Diese Schuld wollte ich nicht teilen. Allein war sie leichter auszuhalten, viel leichter.
Es war schon schwer genug, mit meinem eigenen Schmerz klarzukommen, da konnte ich nicht auch noch ihren gebrauchen. Ich wollte nicht, dass ihre Trauer meine steigerte oder von ihr ablenkte. Genug ist genug.
Aber heute Abend war es anders. Heute musste ich mit ihr sprechen. Heute musste ich Zeit mit ihr verbringen.
Um fünf vor fünf hörte ich, wie sich die Haustür öffnete. Mein Herz beschleunigte. Acht Schritte noch, dann würde sie in der Küche stehen. Die Klinke quietschte und wurde langsam, ganz langsam heruntergedrückt. Sie war da.
Sie schien überrascht zu sein, mich hier zu sehen. Ihre Überraschung steigerte sich noch, als ich aufstand und zum Kühlschrank ging.
»Du hast noch nicht gegessen?«, fragte sie.
»Ich dachte, ich warte auf dich.«
»Oh. Gut. Dann mach ich mal den Auflauf warm.«
»Lass nur, das erledige ich schon. Setz dich. Du hast einen langen Tag hinter dir.«
Sie legte ab, ohne mich aus den Augen zu lassen. Fast als wäre sie misstrauisch. Selbst als sie den Mantel am Haken an der Tür aufhängte, behielt sie mich im Blick.
Ich spürte, wie sie mich anstarrte, während ich die Auflaufform in den bereits vorgeheizten Ofen schob. Ein verwundertes, irritiertes Starren.
Danach holte ich zwei Teller aus dem Schrank und Besteck aus der Schublade. Sie beobachtete mich wortlos.
Ich deckte auf und setzte mich. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber ich hatte mir fest vorgenommen,
das Gespräch selbst zu beginnen. Das hatte sie verdient, wenigstens einmal in sieben Jahren. Aber es fiel mir nicht leicht – alte Gewohnheiten und so weiter. Es kostete mich einige Überwindung. Doch ich durfte mir nicht zu viel Zeit lassen, sonst würde sie am Ende zuerst sprechen. Dieses eine Mal wollte ich es richtig machen, unbedingt. Also redete ich drauflos.
»Wie war dein Tag?«
Ganz langsam breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus.
»Mein Tag?«
»Ja, dein Treffen mit der Verkehrspolizei. Wie ist es gelaufen? «
»Es … es ist gut gelaufen, richtig gut.«
»Und, äh, und wie viele waren dabei von eurer
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