Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
Mutter. Sie ist die Einzige, der es gelang, ein Leben ohne Schuldgefühle und ernste psychische Störungen zu führen. Etwas, das Sie, Mikael Rydin, niemals erleben werden. Denn das, was Sie getan haben, haben Sie mit der Absicht getan, zu töten und zu verletzen. Das ist eine vollkommen andere Sache. Wie zornig und verbittert man auch sein mag und wie groß die Rache auch ist, die man fordert, so kann man das Vergangene doch nicht ungeschehen machen. Und die Schuld schüttelt man nicht einfach ab wie ein lästiges Insekt.«
»Ich hatte doch keine Ahnung ...«
»Man darf bei der Recherche nicht schlampen, Mikael«, sagte Sandén herablassend. »Das ist das A und O. Aber Sie haben eine gute Hand für Jagdmesser, das muss ich schon sagen. Wo ist es denn?«
»In der Hütte«, antwortete er.
»Im Tantolunden?«
Er antwortete mit einem resignierten Nicken.
»Sie haben da ja einen sehr netten Film gedreht«, bohrte Sandén weiter. »Wenn Sie aus dem Gefängnis kommen, so in zwanzig Jahren etwa, könnten Sie vielleicht diesen Weg einschlagen? Aber so viel ist klar – wenn Sie in die geschlossene Psychiatrie kommen, werden Sie nie wieder frei sein.«
Mikael Rydin schaute auf seine Hände und sagte nichts.
Sjöberg spürte plötzlich, dass sie im Moment nichts mit diesem Mann zu besprechen hatten. Sie schikanierten ihn nur. Aus Rache für Eriksson und aus Rache für die Familie Larsson. Im Augenblick taten sie nichts anderes als sicherzustellen, dass Mikael Rydin diesen Raum nicht ohne Schuldgefühle verließ. Und mit einem Mal war er überzeugt davon, dass Einar ihn davor hätte bewahren wollen.
Dieser ganze Fall handelte von nichts anderem als von Schuld, uralter Schuld, und darum drehte sich auch in Sjöbergs Leben gerade sehr viel. Aber Einar, der den längsten Teil seines Lebens mit einer Schuld gelebt hatte, die keine Grenzen kannte, hätte nicht einmal seinem ärgsten Feinde gewünscht, dasselbe durchmachen zu müssen. Mit einer heftigen Bewegung schob Sjöberg den Stuhl zurück und stand auf. Sandén betrachtete ihn verwundert, aber als er sah, wie entschlossen sein Vorgesetzter handelte, schien es ihm am besten, dasselbe zu tun.
»Wir brechen hier ab«, sagte Sjöberg und war bereits auf dem Weg zur Tür.
Sandén folgte ihm gehorsam, ohne die Gründe richtig zu verstehen. Kurz bevor sie den Raum verließen, hörten sie hinter sich plötzlich Mikael Rydins Stimme.
»Verzeihung«, sagte er leise, aber Sandén war nicht in der richtigen Stimmung dafür.
»Es gibt bald niemanden mehr, der Ihnen verzeihen kann«, antwortete er kalt. »Sie haben sie alle umgebracht. Ihre Mutter hat nicht mehr lange zu leben, und Ihr Vater ... Unwahrscheinlich, dass er wieder gesund wird. Und wenn er gesund wird, dann wird er bestimmt nicht so scharf darauf sein, sich mit Ihnen abzugeben. Aber arbeiten Sie daran, junger Mann.«
Als er fertig war, hatte Sjöberg bereits das Ende des Korridors erreicht.
*
Mit einer gewissen Verwunderung ließ Eivor Sjöberg ihren Sohn zu dieser späten Stunde ein.
»Was um alles in der Welt willst du denn hier, Conny? Es ist schon nach zehn Uhr.«
Er umarmte sie und küsste sie hastig auf die Wange.
»Wir müssen reden, Mama. Und ich werde nicht wieder gehen, bevor du mir nicht erzählt hast, was ich hören will.«
»Oje, das klingt ja ernst«, sagte sie mit einem unschuldigen Lächeln, obwohl Sjöberg sicher war, dass sie wusste, worüber er reden wollte. »Möchtest du einen Kaffee?«
Eigentlich hätte er lieber einen Drink gehabt, aber da er noch Auto fahren musste, nahm er das Angebot dankend an. Er setzte sich auf einen Stuhl am Küchentisch und hängte die Jacke über die Lehne. Während sie mit dem Rücken zu ihm den Kaffee kochte, erzählte er von seinem Besuch bei der Großmutter. Als er sie erwähnte, sah er, wie seine Mutter erstarrte.
»Sie war unverhohlen feindselig«, sagte Sjöberg. »Ich bin nur kurz geblieben, es war fast nicht auszuhalten. Jedenfalls ist es mir gelungen, das aus ihr herauszubekommen, was ich wissen wollte. Aber ich glaube, dass wir beide uns besser fühlen würden, wenn du mir deine Version erzählst. Du bist schließlich dabei gewesen.«
Die Mutter klapperte mit dem Porzellan, um ihre Gedanken zu betäuben, sich gegen das Unvermeidliche zur Wehr zu setzen.
»Zuerst, Mama, möchte ich dir sagen, dass du eine fantastische Mutter warst. Und es immer noch bist. Ich bewundere deinen Mut und deine Beharrlichkeit. Du hast mir eine schöne Kindheit beschert
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