Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
weil ich ihn wegen Mordes drankriegen wollte.«
»Meiner bescheidenen Meinung nach ist Einar immer noch der Hauptverdächtige in diesem Fall. Wenn du Angst vor dem Staatsanwalt hast, dann ...«
»Cut the crap«, schnitt Sjöberg ihm nur halb im Scherz das Wort ab. »Sprich mit Rydins Arbeitskollegen, den Leuten an seinem Arbeitsplatz, wo auch immer der sein mag. Finde ihn.«
*
»Wer ist da?«, hörte Sjöberg Ingegärd Rydin aus der Wohnung rufen.
Er ging in die Hocke und versuchte sich durch den Briefschlitz Gehör zu verschaffen: »Conny Sjöberg, Hammarbypolizei. Wir haben gestern miteinander gesprochen. Darf ich
reinkommen?«
Unsicher, was sie darauf eigentlich geantwortet hatte, stand er auf und öffnete die Tür. Er sah sie im Sessel im Wohnzimmer sitzen, und sie winkte ihn herein.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte er, obwohl er die Antwort lieber gar nicht hören wollte.
»Ich schaffe es nicht, aufzustehen und die Tür zu öffnen«, sagte sie durch den einen Mundwinkel, was Sjöberg als Antwort vollkommen reichte. Er hatte Mühe genug, den Gedanken an die, wie er sich vorstellte, schwärzlichen Lungenreste zu verdrängen, mit denen sie atmen musste.
Er gab ihr zur Begrüßung die Hand und setzte sich dann in denselben Sessel wie das letzte Mal. Sie atmete mühsam durch den Schlauch. Der Rauchgeruch in der Wohnung war kaum zu ignorieren.
»Sie haben einen Sohn«, begann Sjöberg. »Davon haben Sie gestern nichts gesagt.«
Sie ließ den Schlauch für einen Moment sinken und bedachte ihn mit einem erstaunten Lächeln.
»Es gab keinen Anlass, ihn zu erwähnen ...«
In diesem Punkt musste Sjöberg ihr recht geben. Als sie sich am gestrigen Tag unterhalten hatten, hatte er noch nichts von der gemeinsamen Vergangenheit der Familien Eriksson und Larsson gewusst. Folglich hatte er auch nicht erwähnt, dass Einar in den Fall verwickelt war. Und dass sie nach der Scheidung noch einen Sohn bekommen hatte, erschien deshalb auch nicht besonders relevant.
»Er ist dreißig Jahre alt«, sagte Sjöberg.
»Ja, bald. Er hat im April Geburtstag«, sagte Ingegärd Rydin, immer noch verständnislos.
»Er ist also zur Welt gekommen, kurz nachdem die Ehe zwischen Ihnen und Christer Larsson geschieden wurde. Wer ist sein Vater?«
»Das weiß ich nicht. Es war eine ziemlich turbulente Zeit. Nach der Scheidung und so ...«, fügte sie mit einem, so deutete es Sjöberg, leicht verlegenen Gesichtsausdruck hinzu.
»Nachdem wir uns gestern unterhalten haben, habe ich herausgefunden, was damals passiert ist«, sagte Sjöberg ernst.
Sie antwortete nicht, aber er konnte sehen, wie ihr magerer Körper sich anspannte. Vielleicht atmete sie auch ein bisschen heftiger durch das Mundstück. Sie betrachtete ihn misstrauisch, aber so gerne er es auch wollte, er konnte sie nicht verschonen.
»Es tut mir furchtbar leid, dass ich mit Ihnen darüber sprechen muss, aber es ist unvermeidlich. Ich kann verstehen, dass es ein schweres Thema für Sie ist, aber ich möchte wissen, wie die Zeit nach dem Unfall für Sie ausgesehen hat.«
Sie sagte eine Weile nichts, dachte vielleicht darüber nach, was sie erzählen sollte, was sie erzählen konnte. Sjöberg verfolgte die Verwandlung. Er sah, wie aus einem zerbrechlichen Wesen mit einem Sauerstoffschlauch im Mund eine Riesin wurde, die sich mit einem fast unnatürlich geraden Rücken gegen diese Bürde stemmte. Die Ingegärd Rydin, die durch ein dramatisches Unglück vor vielen Jahren ihre beiden Kinder verloren hatte, war eine starke Frau, die sich nicht zerbrechen lassen wollte. Sie war eine Person, die kein Mitleid brauchte und die alles Schreckliche eine Armlänge auf Abstand hielt. Sie war nicht wie Solveig oder Christer unter der Schuld und der Trauer zusammengebrochen, und sie hatte auch nicht wie Einar ständig gegen den Wind angekämpft. Ingegärd Rydin hatte ihren Schmerz ganz tief in ihrem Inneren eingekapselt und ihn danach nie wieder herausgelassen. Erinnerungen an das Unaussprechliche bekämpfte sie wie Schädlinge. Sjöberg hatte vor, eine Bresche in diese kompakte Verteidigungslinie zu schlagen.
»Sind Sie deshalb gekommen? Glauben Sie, dass die Morde etwas mit den Jungen zu tun haben?«, fragte sie skeptisch.
»Dieses Unglück ist ein neuer Umstand, den wir natürlich in unsere Ermittlungen mit einbeziehen müssen«, antwortete Sjöberg sachlich, kehrte aber hastig zu der Frage zurück, die ihn eigentlich interessierte. »Wie sah die Zeit nach dem Unglück aus?«,
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