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Und sie wunderten sich sehr

Und sie wunderten sich sehr

Titel: Und sie wunderten sich sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina-Maria Bammel
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ist das dritte Weihnachtsfest ohne dich, Monika. Dabei lebst du noch nicht einmal weit weg, sondern in derselben Stadt. Wir kennen sogar deine Adresse. Trotzdem feiern wir nicht zusammen. Wir haben kaum etwas zu feiern. Nicht in den vergangenen drei Jahren. Wir haben nur so was wie ein Erste-Hilfe-Ritual. Ich übernehme die Nachtdienste in der Apotheke. Dann müssen wir Heiligabend nicht zu Hause sitzen und sehen, dass wir schon rein zahlenmäßig nicht vollständig sind. Wenn ich auch noch weg bin, dann fällt das nicht mehr so sehr ins Gewicht. Und nach 20 Uhr kommt Papa mit deinen beiden Geschwistern zu mir ins Mitarbeiterzimmer hinten in der Apotheke. Wir schaffen es sogar, wieder zu singen … Im ersten Jahr ohne dich war das anders.
    Was habe ich nur erwartet, als ich für dich am 22. das Weihnachtspaket fertig gemacht habe – jede Kleinigkeit liebevoll eingewickelt, mit Zeit – einen halben Nachmittag lang – und mit so vielen Gedanken.
    »Christ ist erschienen, uns zu versühnen.«
    Ich habe es jahrelang mit im Chor gesungen und stelle fest, wie wenig ich diese Hoffnung auf meine Familie anwenden kann: Werden wir jemals versöhnt werden miteinander, mit unserer Geschichte?
    Hast du Angst, etwas von dir und deinem Stolz zu verlieren, wenn du wieder zu uns kommst, wieder da und dabei bist?
    Die kleinen Sachen; alles sollte dir ein Zeichen von uns sein. Drei Sterne für den Weihnachtsabend – du kennst sie doch noch von unserem Weihnachtsbaum? –, ein Tomatenaufstrich, |38| den mochtest du eigentlich immer, besonders gut haltbar, ein neues Trikot für das Lauftraining – ob du das überhaupt noch machst? –, ein Fotoalbum; das kannst du ansehen, wenn du meine Plätzchen und den Rosinenstollen probierst …, die neue Bettwäsche, die Zeitschriften, auch ein Foto von der letzten Ferienhütte, in die wir dich gern mitgenommen hätten.
    …
    Alles war gut verpackt und verschnürt; sogar die Postkarte mit dem Rauschgoldengel innendrin hatte ihren richtigen Platz und – wie ich fand – die richtigen Worte.
    Papa hat das Paket abends im Flur stehen sehen und nichts dazu gesagt. Er hat sich seinen Abstand gesucht. Wie soll er auch nicht. Wir müssen ja weiterleben, arbeiten gehen, Freunde einladen, den Sommerurlaub planen, die Hochzeit deines Bruders vorbereiten, die Wohnung hier und da mal umbauen.
    Ma-mia-Monika! Weihnachten im Apotheken-Hinterzimmer ist jetzt auch schon wieder vorbei. Wir haben sogar gelacht, haben ein neues Spiel ausprobiert, das wir deinem Bruder geschenkt haben. Zu Weihnachten wird doch im Hause Deichner immer gespielt. Das weißt du ja.
    Aber du hast dich nicht gemeldet – kein »mi« und kein »ma«. Ich wollte noch nicht einmal wissen, ob du an diesem Abend bei dir in der Wohnung bist, ob du schläfst, in der Dunkelheit sitzt, ob du durch die Straßen läufst. Ich war zu müde für die nagenden Fragen. Ich hatte dieses eine Bild: Du packst die Sachen aus, legst sie hin und machst sie irgendwie zu deinen Dingen. Einfach so. Du kannst nehmen, ohne dabei dankbar und glücklich aussehen zu müssen.
    Es ist ja auch kein Buch dabei. Du musst nichts lesen. Es war dir viel verhasster, als ich je vermutet hätte. Deine Schwierigkeiten mit den Buchstaben, wir haben sie viel zu spät erkannt … Und die vielen kleinen und großen Lernhilfen und pädagogischen Geschenke auf dem Weihnachtstisch – zu langsam habe ich begriffen, dass dich das gerade |39| auch vor deinen Geschwistern immer wieder noch kleiner macht. »Die kleine Ma-mia-Moni hat’s nicht so mit dem Lesen und dem Schreiben«, haben sie gefrotzelt. – Und es doch gar nicht so gemeint.
    Deine Schwäche war das Dauerthema – und vielleicht haben wir dich zu wenig gestärkt darin, mit dieser Schwäche zu leben. Vielleicht haben wir dich eher noch zusätzlich geschwächt. Es tut mir so leid.
    Das Bild von dir und dem Geschenk hat mich durch die stillen Tage ins neue Jahr begleitet: Monika packt die alten Sterne aus, Monika isst ein kleines Stück vom Stollen. Bis gestern, bis zum dritten Januar …
    Als ich zur Haustür hereinkam, gaben mir die Leute aus dem Geschäft unten in der ersten Etage unseres Hauses gleich Bescheid: Sie hätten ein Paket für uns in Empfang genommen. Ob wir es nicht abholen könnten. Ich habe es sofort erkannt, mein Paket an dich. Du hast es wohl zurückschicken lassen. »Es wurde nicht von der Post gebracht. Eine junge Frau hat es für Sie hereingegeben und gemeint, oben wäre gerade niemand und zum

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