Und sie wunderten sich sehr
Eigenschaften ausgestattet, beschreibend und erzählend ins Licht zu setzen, um dann daraus im nächsten Schritt eine Gottesgeburt »herzuleiten«. Das möchte das Wunderereignis nun wirklich nicht erzählen, denn etwas anderes ist wichtiger: Gott bleibt nicht dabei, Worte zu schenken, die vielleicht Aussicht und Hilfe geben, an denen man sich dann eventuell festhalten kann.
Gott bleibt also nicht beim Wort, sondern macht aus dem Wort einen Menschen, den man schmecken, riechen, fühlen, ansehen und hören kann. Das erklärt noch lange nicht, wie er es »macht« oder »bewirkt«, dass aus Worten ein Mensch wird. Auch wenn ich vielleicht diesem Wunder nicht glauben kann, dass aus Worten ein Mensch wird, auch wenn ich nicht zu bestätigen vermag, dass dies der Kern von dem ist, was mit dem schwergängigen Begriff Offenbarung gemeint ist, ich kann doch wenigstens das eine für nachvollziehbar halten: Wo Briefe geschrieben, also werbende Worte geschickt werden und wo diese Briefe und ihre Worte keinen Anklang finden, da besteht doch die berechtigte Aussicht, dass dies dann eventuell ein Geschenk bewirken könnte, eine Gabe, die sich berühren, halten und anschauen lässt. Und verfehlt auch dieses Geschenk |43| seine Wirkung, es bleibt dabei: Der Schenkende schenkt sich selbst.
Nun ist es ja so gut wie unmöglich, sich selbst zu schenken. Diese Unmöglichkeit, sich selbst zu schenken, beschreibt die Bibel, zugegebenermaßen nur schwach und nur an wenigen Stellen, mit dem unzählig bezweifelten und bekämpften wie verehrten Wunder der Jungfrauengeburt. Schwach ist der biblische Versuch, diese Unmöglichkeit zu beschreiben deshalb, weil nichts anderes zur Verfügung steht als Worte. Diese Worte geben also eine Unmöglichkeit an, die – ganz klar – außerhalb unserer Erfahrungen und unseres Denkens bleiben wird. Wir haben allenfalls Kontakt zum Ergebnis dieses unmöglichen Geschenks – bis in die Geschenkekultur unserer Tage hinein.
Das Geheimnis, dass sich Gott selbst schenkt, braucht eigentlich kein Wunder. Aber das Wunder können wir nur ansehen im Blick auf dieses Geheimnis.
Klar, das Weihnachtswunder und damit ja auch das Fest selbst ist keine Sache beweisbaren Denkens. Und schon gar nicht geht es um denkerische Umständlichkeit, die letztlich doch keine Erklärungsleistung bringen wird. Der Horizont des Wunders verläuft an anderen Linien. Nicht das Wunder soll über alle Maße erfreuen, sondern das dahinterstehende Geheimnis vom sich selbst verschenkenden Gott.
Die größte Freude entwickelt sich also dort, wo zumindest von der Seite der Menschen das Allerwenigste, nämlich gar nichts, für die Freude getan wurde. Jenseits des Alltagsflachlandes der Kausalzusammenhänge ist klar: Nichts und niemand bewirkt, dass Gott Mensch wird. Das mögen manche als selige Passivität bezeichnen, die schlecht auszuhalten ist. Andere vermögen dieser Passivität Jubel und Freude tatsächlich abzugewinnen. Das gelingt allerdings dort am besten, wo die große Freude und die kleinen Freuden miteinander in Berührung kommen, wo das eine einen Weg zum anderen zeichnet. Wie sich unter diesem Horizont der größten Freude die Geschichten von den kleinen |44| Freuden einfügen, davon versucht man jedes Jahr neu zu erzählen, ob in Geschichten des Boulevards, der Tageszeitungen oder der hohen Romankunst, nicht zuletzt auch in den Geschichten auf der Leinwand.
In einem der schönsten Weihnachtsfilme der vergangenen Jahre erzählt der Finne Juha Wuolijoki die Geschichte des Waisenjungen Nikolas. Er wird nach dem Tod seiner Eltern und Schwester Jahr für Jahr von einer Familie zur nächsten geschickt. So zieht ihn das bitterarme Dorf mit gemeinsamer Kraft groß. Über ein paar Jahre geht es gut. Dankbar für das, was fremde Eltern für ihn tun, schnitzt Nikolas mit dem geerbten Messer seines Vaters jedem der Kinder seiner Gastfamilien kleine Holzspielzeug-Geschenke und legt sie stets am Weihnachtsabend vor die Tür in den Schnee. Auch als er erwachsen wird, hört er damit nicht auf, im Gegenteil. Er bedenkt auch alle Kinder in den Nachbardörfern und arbeitet – zurückgezogen in einer kleinen Werkstatt – nur noch für diese Weihnachtsgeschenke. Der grausige Verlust seiner Eltern und seiner kleinen Schwester hat ihn gelehrt, dankbar zu sein, und zwar dort, wo er Liebe und Geborgenheit erfährt, wenn auch stets nur für die Spanne von zwölf Monaten. Die eigenen Erfahrungen lehren ihn das Eigentliche.
Eines Tages kommt ein naher
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