Und stehe auf von den Toten - Roman
womit kann ein armer Adept wie ich Gnade vor dir finden?«
»Habe ich dich verurteilt?«
»Ja, zu lebenslangem Dienst.«
»Wodurch?«
»Durch die Anmut deiner Bewegungen, den Wohlklang deiner Stimme, das Silberläuten deines Lachens, den Goldglanz deiner Erscheinung.«
Gott, was sie alles sein sollte! »Gold und Silber, mein Vater wird wohl einen anständigen Preis für mich auf dem Markt erzielen können!« Cäcilia prustete los, wobei ihre Augen spöttisch blitzten. Neugierig musterte sie den Fremden.
Er war hochgewachsen, trug ein Barett mit Seitenklappen, die seine Ohren bedeckten, einen geschlitzten Wams, wie sie ihn von den jährlich stattfindenden Umzügen der Tuchmacherzünfte daheim kannte, wenn die Meister und Gesellen sich zur Feier des Tages in die Mode ihres Gründungsjahres 1505 zwängten. Die Schlitze ließen einen tiefblauen Unterstoff unter dem Rot des Wamses erkennen. Über schwarzen Kniestrümpfen trug er eine eher dezente, schwarzrot gestreifte Pluderhose, dazu ein Rapier. Sie sah in ihm einen Edelmann aus längst vergangener Zeit. Stahlblaue Augen sprengten die Sehschlitze der starren Maske mit ihrem respektlosen Funkeln. Etwas an seiner Stimme irritierte Cäcilia. Ihr Klang erinnerte leicht an das Bellen eines Wolfes. Der Fremde schien es zu genießen, dass er begutachtet wurde. Er verbeugte sich galant vor ihr.
»Verzeih einem armen Goldmacher das Stammeln in dem Augenblick, in dem er sein Gold gefunden hat.«
»Wirke ich so starr, so glatt, so kalt leuchtend wie schnödes Gold, mein Herr?«
»Ich meinte nicht das Metall.«
»Sondern?« Sie zog erwartungsvoll die rechte Augenbraue hoch, was aber unter der Maske verborgen blieb.
»Das Gold, das wir die Seele nennen.«
»Das ist Philosophie. Und davor hat mich mein guter Vater gewarnt.«
»Bitte, begleite mich zum Teatro Tordinone. Ich will nicht philosophieren, sondern tanzen. Oder hat dich dein guter Vater auch davor gewarnt? Zeig ihn mir, und ich will ihn um Erlaubnis bitten.« Cäcilia lachte jetzt aus vollem Halse. Die Vorstellung, wie der freche Cavaliere ihren Vater bitten und sich eine Abfuhr einhandeln würde, die sich gewaschen hatte, belustigte sie. Doch sie wollte nicht
über ihren Vater reden. Das berühmt-berüchtigte Teatro di Apollo di Tor di Nona, wie es eigentlich hieß, erregte ihre Neugier.
»Kommst du denn da rein?«
»Hältst du mich für einen Angeber?«
Cäcilia konnte ihr Glück kaum fassen. Nur in der Zeit des Karnevals durften die Theater offiziell betrieben werden. Und zu einem Ball in eines der fünf Spielhäuser der Ewigen Stadt eingeladen zu werden, überstieg bei weitem das, was sie in ihren kühnsten Träumen erhofft hatte. Das Teatro Tordinone galt als das vornehmste von allen. Dort trafen sich nur der Hochadel, die auf andere Art - man fragte besser nicht wie - unverschämt reich gewordenen Gecken und einige verkleidete Kardinäle. Und jede Menge Damen aus der höheren Gesellschaft und aus den teuren Bordellen.
Cäcilia überlegte nicht lange, denn sie sah keinen Grund zur Vorsicht. Sie bewegte sich schließlich mit dem Fremden in der Öffentlichkeit und folgte ihm nicht in ein stilles Kämmerlein, in eine zwielichtige Wirtschaft oder in eine verlassene Gegend. Was sollte ihr also schon geschehen? Sie könnte jederzeit um Hilfe rufen, wenn er zudringlich würde. Aber so wirkte er ohnehin nicht auf sie, nicht wie einer, der sich gewaltsam etwas verschaffen musste. Trotzdem konnte es nicht schaden, sich etwas spröde zu zeigen. »Wenn du versprichst, dich stets ritterlich zu betragen.«
»Bei allem, was mir heilig ist.«
»Weiß ich, was dir heilig ist? Schwör bei deiner Ehre. Obwohl - wenn du vorhast, ehrlos zu handeln, besitzt du keine Ehre, und so wäre auch der Schwur nutzlos. Ach, schwör am besten gar nicht. Wie heißt du?«
»Agrippa. Agrippa von Nettesheim. Und du?«
»Sieht man es nicht? Pulcinella.«
»Ich meine, mit richtigem Namen.«
»Und du? Heißt du wirklich Agrippa?«
»Nein, David von Fünen.«
»Deutscher?«
»Aus Prag. Und du?«
»Cäcilia Velloni«, antwortete sie und fügte dann flunkernd hinzu: »Aus Rom.« Sie wollte nicht, dass er sie für ein Landei hielt.
Er reichte ihr, wie ihr schien etwas zu selbstsicher, dennoch aber elegant, den Arm. »Dann komm, Principessa. So will ich dich nennen. Das passt besser zu dir als Pulcinella.«
Sie hakte sich ein. Ihr Herz klopfte. Ein Abenteuer, ein richtiges Abenteuer. Mit ihr als Hauptperson. Das erste in ihrem Leben.
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