Und stehe auf von den Toten - Roman
In ihrem verschlafenen Heimatkaff erwartete sie nur eines Tages der Heiratsantrag eines Mannes, dem sie dann so viele Kinder gebären würde, wie er zuvor in der Lage war zu zeugen. Doch bevor das eintreten würde, wollte sie noch etwas Einzigartiges erleben, woran sie sich das ganze Leben erinnern und was ihr schließlich den lauen Abend eines beschaulich geführten Lebens erwärmen sollte.
Sie passierten den Viccolo della Volpe und standen vor dem berühmten Modehaus von Giuseppe Romano.
»Komm, jetzt machen wir aus der drolligen Pulcinella eine richtige Principessa.« Ehe sie etwas erwidern konnte, nahm er ihre Hand und zog sie in das Geschäft. Giuseppe Romano hatte zwar geöffnet, aber zur Sicherheit ein paar handfeste Kerle mit groben Stöcken im Verkaufsraum versammelt. Ein Mann um die vierzig, mit dunklen Augen und wildlockigem, grau meliertem Haar, kam auf die beiden zu. Cäcilias Begleiter schien ihn zu kennen, was sie beruhigte.
»Ah, Signor Romano höchstpersönlich.«
»Womit kann ich dienen, Cavaliere?«
»Mit dem leichtesten von der Welt: diese schöne Närrin in eine Prinzessin zu verwandeln, denn in Wahrheit ist sie eine verkleidete Göttin. Wir müssen nur wieder sichtbar machen, was sie vor uns so geschickt verborgen hat.«
Cäcilia war, als schaute der erfahrene Modehändler durch ihre Verkleidung hindurch, während er sie musterte. Sie errötete.
»Kommen Sie, Signorina«, lud er sie mit vertrauenerweckender Stimme ein. Sie folgte ihm in eines seiner Studios, die vom Ladenraum abgingen.
»Bleiben wir in der Zeit des Cavaliere von Fünen. Reisen wir in Stoffen und Schnitten knapp zweihundert Jahre zurück.«
Er breitete verschiedene Kleidungsstücke auf dem kleinen Tisch aus, der in der Mitte des Studios stand. »Rufen Sie mich, wenn sie mich brauchen.« Damit entfernte er sich diskret und ließ Cäcilia mit den Kleidern allein.
So teure Stoffe und so schöne Schnitte hatte sie noch nie gesehen. Sollte das wirklich für sie sein? Dürfte sie diese Kleider tatsächlich tragen? Ihre Neugier siegte über ihre Befangenheit. Sie streifte das Pulcinellenkostüm ab, auch ihr grauwollenes, ein wenig derbes Unterhemd und schlüpfte in ein langes, mit Spitzen besetztes Unterkleid aus weißer Seide, fein und halbdurchsichtig. Es fühlte sich kühl und zart an, wie ein Schmetterlingsschlag auf der Haut. Die reinste Sünde, dachte sie mit wohligem Schaudern. Nun zog sie das in einem hellen Grün gehaltene Damastkleid darüber, das an den gebauschten Ärmeln geschlitzt und mit goldenen Borten versehen war. Sie schaute in den mannshohen Spiegel.
War sie das wirklich? Oder sah sie jetzt zum ersten Mal ihre wahre Gestalt, die sonst unter der schlichten Kleidung der Notarstochter verborgen blieb? Sie wollte nicht darüber nachdenken, nur einmal, nur für ein paar Stunden, den Traum leben, eine umworbene und edle Fürstin zu sein. Durfte sie ihr Recht, einzigartig zu sein, nicht noch ein wenig verteidigen? Vor Glück klatschte sie mehrere Male in die Hände. Immer wieder drehte sie sich und bewunderte dabei ihr Spiegelbild. Dann seufzte sie. Länger durfte sie die beiden wirklich nicht warten lassen, also riss sie sich gewaltsam von ihrem Anblick los.
»Signor Romano«, rief Cäcilia leise, in einer Mischung aus Furcht und Andacht. Sie hatte eine neue Seite von sich entdeckt, und sie wollte das Bild nicht durch ein zu lautes Wort wie eine Seifenblase zum Zerplatzen bringen. Und doch hatte ihr Empfinden nichts mit Eitelkeit zu tun. Es war vielmehr eine Art Ehrfurcht vor dieser anderen Cäcilia.
So als habe er nur auf ihren Ruf gewartet, stürmte der Modehändler ins Studio, und ein Strahlen erhellte seine Züge. »Madonna mia. Was für eine Schönheit. Lassen Sie uns das Kunstwerk vollenden.« Seine Begeisterung wirkte nicht professionell vorgetäuscht, sondern echt.
Er legte eine Kette aus geschliffenen, ovalen Bernsteinplättchen, die von feinem Gold gerahmt wurden, um ihren Hals. Dann reichte er ihr eine schwarze Halbmaske und befestigte einen Haarkranz aus Gold, an dem eine einzelne Perle hing, in ihrem schwarzen Haar. Von dem Kranz fiel ein Schleier aus lindgrüner Seide etwas nach rechts versetzt über ihren Hinterkopf bis hinab zu ihren Kniekehlen. Giuseppe Romano trat einen Schritt zurück und betrachtete sie. Sichtlich mit seinem Werk zufrieden rief er aus: »Ah, die richtige Mischung aus Unschuld und Geheimnis.«
Er führte sie wieder in den Verkaufsraum zurück, wo ihr Cavaliere auf sie
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