Und tot bist du
beim Essen saß, erinnerte er sich an all die Frauen, die in den letzten acht Jahren seinetwegen bereitwillig sämtliche Verabredungen abgesagt hatten. Ihm wurde klar, daß er der Frau seiner Träume begegnet war.
Sechs Wochen später fand die Hochzeit statt.
Der Medienrummel schien gar nicht mehr aufhören zu wollen. Die Ehe zwischen dem begehrtesten Junggesellen des Landes – dem vierundvierzigjährigen ehemaligen Präsidenten – und der schönen, zwölf Jahre jüngeren Kongreßabgeordneten, brachte die Journalisten schier um den Verstand. Seit Jahren hatte keine Hochzeit die Öffentlichkeit derart beschäftigt.
Daß Sandras Vater Lokführer bei der New Jersey Central Railroad war, daß sie sich ihr Studium am St. Peter’s College und an der juristischen Fakultät von Fordham selbst verdient hatte, daß sie sieben Jahre lang als Pflichtverteidigerin gearbeitet und dann einem langjährigen Abgeordneten aus Jersey City in einem erdrutschartigen Wahlsieg das Amt abgejagt hatte – das alles machte sie zu einem Vorbild für ihre Geschlechtsgenossinnen und zum Liebling der Presse.
Da Henry einer der zwei beliebtesten Präsidenten dieses Jahrhunderts und Besitzer eines beträchtlichen Vermögens war und außerdem wie immer wieder ganz oben auf der Liste der attraktivsten Männer Amerikas stand, galt auch er als nachahmenswertes Vorbild und wurde gleichzeitig von anderen Männern beneidet, die sich fragten, warum die Götter ihn so offensichtlich bevorzugten.
»Lord Henry Brinthrop heiratet Gal Sunday« hatte die Schlagzeile einer Zeitung an ihrem Hochzeitstag gelautet, eine Anspielung auf die früher höchst beliebte Hörspielserie, die jahrelang an jedem Werktag gesendet worden war. »Kann ein Mädchen aus einer Bergarbeiterstadt im Westen mit Lord Henry Brinthrop, einem der reichsten und gutaussehendsten Männer Englands, glücklich werden?« war ihre zentrale Frage gewesen.
Über kurz oder lang wurde Sandra von allen, auch von ihrem Ehemann Sunday genannt. Zuerst verabscheute sie diesen Spitznamen, gewöhnte sich aber an ihn, als Henry ihr erklärte, daß er für ihn noch eine andere Doppelbedeutung habe. Für ihn sei sie »a Sunday kind of Love«, eine Zeile aus einem seiner Lieblingslieder. »Er paßt einfach zu dir«, fügte er hinzu.
Als Sunday an diesem Morgen ihren Mann betrachtete, dachte sie an die vergangenen ungetrübten Monate und Tage. Nun aber lag aufrichtige Besorgnis in Henrys Blick und sie nahm seine Hand. »Du bist besorgt um Tommy, das sehe ich dir an. Was können wir tun, um ihm zu helfen?«
»Ich fürchte, nicht viel. Natürlich werde ich mich erkundigen, ob sein Verteidiger fähig ist. Aber ganz gleich, welchen Anwalt er sich nimmt, es sieht schwarz für ihn aus.
Überleg mal. Es handelt sich um ein besonders brutales Verbrechen, und es scheint alles darauf hinzuweisen, daß Tommy der Täter ist. Die Frau wurde von drei Schüssen getroffen, die aus Tommys Pistole stammen. Und zwar in Tommys Bibliothek, kurz nachdem er in Gegenwart anderer geäußert hatte, wie sehr er unter der Trennung litte.«
Sunday griff nach einer der Zeitungen und musterte das Photo des strahlenden Thomas Shipman. Er hatte den Arm um die hinreißende Dreißigjährige gelegt, mit der er sich über den Tod seiner Frau hinweggetröstet hatte. »Wie alt ist Tommy eigentlich?« fragte Sunday.
»Weiß nicht genau. So um die fünfundsechzig.«
Sie betrachteten beide das Bild. Tommy war ein durchtrainierter, schlanker Mann mit ergrautem, schütterem Haar und dem Gesicht eines Wissenschaftlers. Arabella Youngs hochtoupiertes Haar, ihr hübsches Puppengesicht und ihre vollbusige Figur hätten hingegen besser auf die Titelseite des Playboy gepaßt.
»Sie könnte seine Tochter sein«, stellte Sunday fest.
»Dasselbe sagt man wahrscheinlich auch über uns«, entgegnete Henry leichthin und zwang sich zu einem Lächeln.
»Ach, hör auf damit, Henry«, protestierte Sunday und nahm seine Hand. »Und tu bloß nicht so, als würde dich das alles nicht berühren. Wir sind zwar noch nicht lang verheiratet, aber ich kenne dich inzwischen zu gut, um mich von dir täuschen zu lassen.«
»Du hast recht, ich mache mir Sorgen«, antwortete Henry leise. »Wenn ich mich an die letzten Jahre erinnere, kann ich mir gar nicht vorstellen, wie ich es ohne Tommy geschafft hätte. Bei meiner Wahl zum Präsidenten hatte ich erst eine Legislaturperiode im Senat hinter mir und war noch ziemlich unerfahren. Ihm habe ich es zu verdanken, daß ich
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