Und verfluche ihre Sünden
Asiatin in Clares Alter stand hinter einem von Aktenordnern und Dokumentenkassetten übersäten Schreibtisch.
»Amy Nguyen?«
Die Frau hob den Blick von einer aufgeschlagenen Akte, in der sie gelesen hatte. Bei jemand weniger Gehetztem wäre ihr Ausdruck ein Lächeln gewesen. »Sie müssen Reverend Fergusson sein.« Sie streckte die Hand aus. Nur ein kaum hörbarer Akzent verriet, dass Englisch nicht ihre Muttersprache war.
»Kein anderer schien den Job zu wollen«, bestätigte Clare und drückte Nguyens Hand. Das trug ihr ein echtes Lächeln ein.
»Genau wie bei mir. Nehmen Sie doch Platz.«
Clare zog einen der weißen Kunststoffstühle heraus. »Um was geht es? Chief Van Alstyne sagte, Sie wollen mit mir über die Christies sprechen.«
»Warten wir doch, bis Russ kommt, dann können wir alle …« Amy verstummte, als die Tür aufsprang, beinah gegen Clare knallte und Russ in den Raum schlüpfte, wobei er sämtlichen verbleibenden Platz ausfüllte.
»Entschuldigt die Verspätung«, sagte er. Sein Blick streifte Clare. »Reverend Fergusson.« Dann Nguyen. »Amy. Ist eine Weile her.«
Sie gab ihm über den Tisch hinweg die Hand. »Stimmt. Es hat mir so leidgetan, als ich das von deiner Frau gehört habe. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was für ein schrecklicher Verlust es für dich sein muss.«
»Danke«, erwiderte er steif. »Es war – ja. Danke.« Auf Nguyens Geste hin versuchte er, sich auf einen der Stühle zu quetschen. Er sah Clare nicht an.
»Okay, es geht um Folgendes.« Nguyen legte ihre Hand auf die Akte, in der sie gelesen hatte. »Die Anwältin der Christies wehrt sich weiterhin gegen eine Festlegung der Kaution, weil sie will, dass wir alle Anklagepunkte gegen ihre Mandanten fallenlassen.«
»Was?« Russ klang aufgebracht. »Zur Hölle damit! Wenn ich nicht rechtzeitig dort gewesen wäre …«
Nguyen hob die Hand. »Im Gegenzug«, betonte sie, »wollen sie die Klage gegen dich und das Police Department von Millers Kill wegen Körperverletzung und tätlichem Angriff zurückziehen.«
Russ schaukelte nach hinten, wobei der wacklige Stuhl umzukippen drohte.
»Gut«, sagte Clare. »Ich bin bereit, die Klage fallenzulassen. Fahren Sie fort.«
»Nein!« Russ drehte sich zu ihr um. »Der Mistkerl hätte dich umbringen können.« Er funkelte die stellvertretende Staatsanwältin an. »Neil und Donald Christie sind in die Kirche eingedrungen und haben versucht, sie zusammenzuschlagen. Sieh sie dir an! Jeder der beiden ist doppelt so groß wie sie.«
Nguyen hielt eine Seite hoch. »Den Christies zufolge haben sie eine offene, nicht verschlossene Kirche betreten, um einen Bekannten zu suchen. Als sie versuchten, ihn ausfindig zu machen, hat Reverend Fergusson« – sie blickte über den Rand der Seite zu Clare – »sie mit einer langen, hölzernen Stange angegriffen.«
»Dem Prozessionskreuz«, erklärte Clare, der im selben Moment bewusst wurde, dass nur die allerschlimmsten Pedanten jemanden korrigieren würden, der sie des Angriffs bezichtigte.
»Sie behaupten, dass Ms. Fergusson Donald bewusstlos schlug, Donalds Nase brach und beide mit dem – äh, Kreuz verprügelte.« Sie hob fünf oder sechs zusammengeheftete Blätter an. »Die Anwältin hat hilfsbereiterweise die Aufnahmepapiere des Washington County Hospital beigefügt, die diese Verletzungen bestätigen.« Sie lächelte Clare beinah an. »Falls ich jemals in dunklen Gassen unterwegs bin, hoffe ich, dass Sie mich begleiten, Reverend.« Sie wandte sich an Russ. »Donald Christie gibt außerdem zu Protokoll, dass du ihn mehrere Male ins Gesicht geschlagen hast, ehe er auch nur eine Chance hatte, deiner Aufforderung nachzukommen, eine für die Verhaftung angemessene Position einzunehmen.« Sie raschelte mit den Krankenhausunterlagen. »Was ebenfalls von medizinischen Indizien erhärtet wird.«
»Hör mal«, begann Russ.
Nguyen schüttelte den Kopf. »Ich will nichts hören. Falls ihre Anwältin darauf besteht, müssen wir in dieser Angelegenheit ermitteln. Sprich nicht mit mir.« Sie ließ die Papiere fallen und verschränkte die Arme auf dem Tisch. »Ich habe deinen Bericht gelesen. Und Reverend Fergussons Aussage. Glaub mir, ich weiß, was sich in Wahrheit abgespielt hat. Aber die Anklage wird verdammt schwierig, Russ. Das Eindringen können wir vergessen, sie haben gute Chancen mit Notwehr, und falls wir uns auf Widerstand gegen die Verhaftung versteifen, wird ihre Anwältin todsicher dafür sorgen, dass die Geschworenen über die
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