Palzki ermittelt: 30 Rätsel-Krimis (German Edition)
Reiner Palzki und der mysteriöse Suizid
1.
Rätsel-Krimi
Es hätte so ein schöner Tag werden
können.
Das Leben
war manchmal grausam. Die Dreitagewoche für Polizeibeamte lag in ferner Zukunft
und dürfte wohl erst in einigen Generationen zum Tragen kommen. Daher musste unsereiner
mit seinen spärlichen zwei Wochenendtagen gut haushalten. Also fläzte ich mich an
diesem warmen Samstagvormittag auf der bequemen Gartenliege und versuchte, die Rheinpfalz
zu lesen. Nach einer knapp bemessenen Minute kam mein neunjähriger Sohn Paul angestürmt
und sprang ohne Vorankündigung wie ein notlandender Jumbojet auf meinen Bauch. Die
Zeitung, die unsere Köpfe trennte, war meinen Reflexen nicht gewachsen und zerriss.
Nachdem ich die Welt wieder durch meine Augen betrachten konnte, starrte ich in
das frech grinsende Gesicht meines Sohnes, der mir einen Joystick entgegenhielt.
»Papa, willst du wieder beim Autorennen gegen mich verlieren, du Loser?«
Es war nicht
einfach, Paul davon zu überzeugen, dass ich meine Prioritäten für diesen Vormittag
anders gesetzt hatte. Durch Bestechung gelang es mir schließlich. Was waren schon
zwei Portionen Pommes mit Mayo und ein Cheeseburger gegen meine Ruhe? Die wurde
mir allerdings nur für eine weitere Minute gewährt. Dann stand die zwölfjährige
Melanie neben der Liege und schmachtete mich mit ihrem größten ›Papa, ich will was
von dir‹-Lächeln an.
»Papa«,
begann sie zuckersüß, »meine Freundinnen dürfen heute Abend alle ins Open-Air-Kino
nach Ludwigshafen. Gell, du fährst mich hin?«
Fast war
ich versucht, dieser Aufforderung aus Bequemlichkeit nachzukommen. Gerade rechtzeitig
fiel mir aber ein, dass ich verheiratet war und meine allerliebste Ehefrau Stefanie
von der Idee sicherlich wenig begeistert sein dürfte. »Was sagt denn deine Mutter
dazu?«, fragte ich vorsichtig, obwohl ich wusste, wie der Dialog enden würde.
Melanie
stampfte wütend mit den Füßen auf. »Kannst du nicht einmal alleine etwas entscheiden,
Daddy? Brauchst du immer andere, die dir sagen, was richtig ist?« Sofort änderte
sich ihre Mimik wieder in das größtmögliche Unschuldslächeln. »Um Mitternacht kannst
du mich abholen. Okay, Daddy? Danke!«
Bevor ich
irgendeine Chance hatte zu reagieren, war sie verschwunden.
Erziehung
war schon schwer, dachte ich mir, insbesondere wenn man mal fünf Minuten seine Ruhe
haben wollte. Wie auf Kommando begann mein linker Nachbar, Herr Ackermann, seinen
englischen Rasen zu mähen. Mindestens dreimal wöchentlich tat er dies von März bis
Anfang November. An diesem Tag war es wieder so weit.
»Guten Morgen,
Reiner«, rief mir im gleichen Moment mein rechter Nachbar über den Gartenzaun zu.
»Ich mach mich mal an die Arbeit. Ich hoffe, es stört dich nicht.« Zum Zeichen seiner
Arbeitsbereitschaft hielt er eine große Elektrosäge in die Luft. Seit Wochen baute
er an einem Gartenhäuschen. Jetzt fehlte noch, dass seine halbwüchsigen Jungs mit
ihrem Schlagzeug loslegten.
Es läutete
an der Haustür. Wahrscheinlich waren es Einwohner des Nachbarortes, die sich bei
mir über den Lärm beschweren wollten. Mit dem Schlimmsten rechnend, öffnete ich
die Eingangstür und stand meiner Kollegin Jutta Wagner gegenüber.
»Guten Morgen«,
begrüßte ich sie. »Hast du Sehnsucht nach mir? Es sind ja bestimmt schon 17 Stunden
vergangen, seit wir uns ins Wochenende verabschiedet haben.« Ich weiß, es war ein
müder Witz. War mir doch längst klar, was die Stunde geschlagen hatte. Ein Polizist,
vor allem ein Kripobeamter, war stets latent im Dienst. Die zahlreichen Ganoven
in der Metropolregion nahmen auf meine Kollegen und mich nur selten Rücksicht.
»Komm schon«,
forderte mich Jutta auf. »Wir müssen los.«
Da Stefanie
vom Einkaufen nicht zurück war, gab ich meiner Tochter Bescheid. Das Einzige, was
ihr dazu einfiel, war: »Denk dran, Papa: Um acht will ich in Ludwigshafen sein.
Und du musst das vorher noch der Mama erklären.«
Ich genoss
es, auf dem Beifahrerplatz zu sitzen und für einen Moment zu entspannen. »Wo fahren
wir hin?«, fragte ich Jutta.
Sie schaltete
die Heizung auf die höchste Stufe und antwortete: »Wir müssen nach Haßloch, der
Notarzt hat angerufen, weil er bei einem Suizid Zweifel hat.«
»Sag mal,
spinnst du?«
»Wieso?
Bei einer Selbsttötung erfolgt immer eine polizeiliche Aufnahme.«
Ich winkte
ab. »Das mein ich doch nicht. Warum hast du die Heizung eingeschaltet?«
»Weil es
kalt ist. Schau mal auf das Thermometer.
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