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Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Schwester Lucia rutschte auf dem Beifahrersitz herum. Ihre genagelte Hüfte war so weit geheilt, dass sie das Krankenhaus für einen Nachmittag verlassen durfte, doch offensichtlich bereitete sie ihr noch Schwierigkeiten.
    »Absolut sicher«, erwiderte Clare. »Solange er nichts davon erfährt.«
    Schwester Lucia lachte. »Mir gefällt Ihre Art zu denken.«
    »Trotzdem müssen wir eine bessere Lösung finden. Und zwar eher früher als später. Im Moment bin ich alle vier Wochen für ein Wochenende nicht da. Sie an drei Tagen im Monat aus dem Krankenhaus zu schmuggeln ist kein Ersatz.«
    »Kennen Sie Christophe St. Laurent? Vom Sacred Heart? Er ist bereit, Freiwillige zusammenzutrommeln, aber er würde erst gern mit Ihnen reden, um zu erfahren, ob einige Ihrer Leute erwägen, auch dann weiterzumachen, wenn das Programm nicht mehr von Ihrer Kirche unterstützt wird.«
    Im Rückspiegel tauchten rot-weiße Blinklichter auf. Sie warf einen Blick auf den Tacho; ins Gespräch vertieft hatte sie den Fuß vom Gas genommen. Jetzt fuhr sie mit erlaubter Geschwindigkeit. Sie lenkte den Wagen zur Seite.
    Der erste Streifenwagen schoss in einem Tempo an ihnen vorüber, das die Scheiben zum Klirren brachte. Ein zweiter Wagen, dann ein SUV, direkt dahinter. State Police. Keine Sirenen. Sie fuhren zu einem Einsatz.
    Ihre Brust wurde eng, als hätte sich eine eisige Hand um ihr Herz gekrallt.
    Dann hörte sie die Sirene eines Krankenwagens. Sie trat auf die Bremse, und die Vorderräder gruben sich knirschend in den Seitenstreifen. »Was, in aller Welt?« Schwester Lucia streckte die Hand aus, um sich am Armaturenbrett abzustützen.
    Als Clare sich umdrehte, sah sie den Rettungswagen den Hügel hinunterrasen. Das Blaulicht blinkte im selben Takt wie ihr Pulsschlag. Aus dem Augenwinkel konnte sie erkennen, wie Schwester Lucia sich bekreuzigte.
    Das Fahrzeug schoss so schnell an ihnen vorbei, dass der Schriftzug RETTUNGSWAGEN MILLERS KILL verschwamm.
    »Was meinen Sie …«, begann Schwester Lucia. Auch sie las Zeitung. »Könnte es sein, dass vielleicht noch eine Leiche gefunden wurde?«
    Clare schüttelte den Kopf. »Das waren keine Wagen aus Millers Kill. Normalerweise wird die State Police nicht gerufen, es sei denn, man braucht eine ihrer Spezialeinheiten wie die Spurensicherung oder die Taucher oder …« Der Groschen fiel beim Sprechen. »Das SEK.«
    »Was ist das?«
    »Diese Männer holt man bei einer Geiselnahme oder bei Beamten unter Beschuss.« Clare hob den Fuß von der Bremse und trat aufs Gaspedal, zwang den Subaru zurück auf die Straße, wobei sie erst auf den Gegenverkehr achtete, als es zum Ausweichen sowieso zu spät gewesen wäre.
    Sie beschleunigte. Schwester Lucia stützte sich mit einer Hand am Armaturenbrett ab und umklammerte mit der anderen die Lehne. »Vielleicht«, rief sie – das offene Fenster, das bei Tempo sechzig eine angenehme Brise durchgelassen hatte, verwandelte sich bei Tempo hundert in einen heulenden Windkanal – »hat man den Mörder gefasst.«
    Genau davor hattte Clare Angst. O Gott, bitte steh ihnen bei. Bitte mach, dass der Rettungswagen nur eine Vorsichtsmaßnahme ist. Bitte mach, dass niemand verletzt wurde.
    Sie kamen an eine Kreuzung. »Wohin?«, fragte sie. »In welche Richtung sind sie gefahren?«
    Schwester Lucias Hand, weich und staubtrocken, legte sich auf ihren Arm. »Warten Sie«, sagte sie. »Falls sie diese Straße genommen haben, nehmen sie auf dem Rückweg vielleicht dieselbe Strecke.«
    »Aber dann könnte es zu spät sein!«
    Die Nonne blickte sie an, ein verhaltenes Lächeln im Gesicht. »Meine Liebe, was wollen Sie denn tun?«
    »Auf jeden Fall nicht hier sitzen und abwarten.« Clare kurbelte am Lenkrad, und der Subaru quietschte auf die Seven Mile Road. Schwester Lucia stöhnte und klammerte sich an die Tür.
    »Was, wenn das die falsche Richtung ist?«, rief sie.
    »Fliegen oder sterben«, brüllte Clare.
    Schwester Lucia kurbelte das Fenster hoch und schloss den Wind aus. »Erinnern Sie sich noch, was ich über Furchtlosigkeit gesagt habe?«
    »Sicher.«
    »Ich nehme es zurück.«
    In der Ferne war eine Sirene zu hören. Clare sah in den Rückspiegel. Ein blau-weißer Wirbel. Noch ein Rettungswagen. Sie nahm den Fuß vom Gaspedal und ließ den Subaru über den Seitenstreifen holpern. Das Fahrzeug aus Corinth schoss an ihnen vorbei, dahinter ein Streifenwagen aus Millers Kill. Clare sah den bulligen Umriss des Fahrers, aber es hätte jeder von ihnen sein können.

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