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Und weg bist du (German Edition)

Und weg bist du (German Edition)

Titel: Und weg bist du (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Kae Myers
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Zuerst tat ich so, als würde ich mir den Schaukasten ansehen, während sie mich anstarrte und offenbar nicht glauben konnte, dass ich es war.
    Schließlich kaufte ich ein Messer aus dem Kasten, was sie ein wenig zutraulicher werden ließ. Dann suchte ich mir ein Motiv aus ihren Musterbüchern aus und bat sie, das Kreuz über eine kleine Narbe an meinem Unterbauch zu tätowieren. Nur zu gern brachte Beth ihre Nadel an meinem Körper zum Einsatz. Sie schaffte eine Verbindung zwischen uns, die wir früher nie hatten. Ich lag in dem Stuhl mit der nach hinten geklappten Lehne und sie redete mit sanfter Stimme, die im scharfen Kontrast zu ihrem harten Äußeren stand. Wir plauderten und ich empfand beim Stechen keinerlei Schmerzen, was sie sehr beeindruckte. Bevor ich den Laden verließ, bat ich sie noch, die Originalvorlage des Kreuzes aufzuheben. Ich würde wiederkommen, um sie zu holen, versprach ich beim Abschied.

achtunddreißig
FREAK
    »Du kannst uns keinen Vorwurf machen«, empörte sich Sam Lessing gerade, als ich wieder erwachte. »Hast du eine Ahnung, was geschehen wäre, wenn Paul Gerard die Liste mit den Passwörtern an den Typen, der sie wollte, verkauft hätte? Als er sie von uns stahl, hat er auch unsere Kopien vernichtet. Wir hatten kein Mittel mehr in der Hand, um unsere Kunden zu schützen.«
    »Sie auszuspionieren, meinst du?« Noah klang verärgert. »Hör zu, eure Probleme interessieren mich nicht. Was mich stört, ist, dass ihr sie wissentlich in Gefahr gebracht habt.«
    »So schwierig schien uns der Auftrag nicht zu sein. Wir sind davon ausgegangen, dass Jack mit Gerard zurechtkommen würde. Doch dann schickte er uns den gefälschten Unfallbericht und verschwand. Auch Jocelyn wusste von all dem nichts. Sie hat wirklich geglaubt, dass Jack gestorben ist. Wir wollten auf keinen Fall die Daten verlieren, die sie von Gerard zurückgeholt hatte, fanden aber nicht heraus, wo sie sie versteckt hatte. Dann ist sie Anfang der Woche hierher nach Watertown gefahren. Wir waren uns sicher, dass sie sich an die Stelle begeben würde, wo sie den Chip versteckt hatte. Stattdessen begann sie dich zu verfolgen.«
    »Sie hat mich verfolgt? Sie hat versucht Jack zu finden, weil er für sie real ist.«
    »Richtig.«
    Während ich still liegen blieb und der Unterhaltung lauschte, zog sich in mir aus Trauer um Jack abermals alles zusammen. Sie war so frisch wie an dem Tag, als es geschah. Melodys Verbrechen an ihm lastete schwer auf mir. Und doch ging ich mit dem Verlust jetzt anders um als damals. Ich war stärker geworden und eher dazu in der Lage, den Schmerz auszuhalten, der mich mit vierzehn zerstört hätte. Irgendetwas in mir – vielleicht angetrieben durch die Gefahr, die von ISI ausging – muss gewusst haben, dass es an der Zeit war, ihn gehenzulassen.
    Seit Wochen hatte sich Jack von mir entfernt, wie mir jetzt bewusst wurde. Ich dachte an die Schule. Der Psychologe hatte mich zu sich gerufen, weil meiner Englischlehrerin Ms Chen aufgefallen war, dass all meine Gedichte von Tod, Verlust und Trauer handelten. Sie hatte sie dem Psychologen gezeigt.
    »Es ist doch nur normal, dass ich trauere, schließlich ist mein Bruder gestorben«, hatte ich darauf erwidert und mich geweigert weiter darüber zu reden. Ich hätte einen Therapeuten außerhalb der Schule, hatte ich ihnen erklärt.
    Alle, vor allem meine Pflegeeltern und Freunde, waren besorgt gewesen, weil ich so deprimiert war. Doch niemand ahnte, was wirklich in mir vorging. Seltsamerweise war ich davon überzeugt gewesen, dass Jack erst vor wenigen Wochen gestorben war – und nicht schon vor mehreren Jahren.
    Blinzelnd öffnete ich langsam die Augen und setzte mich auf. Mein Kopf dröhnte.
    Sofort kam Noah zu mir, kniete sich neben mich auf den Boden und versuchte mir nicht zu zeigen, wie unbehaglich ihm zu Mute war. »Wie fühlst du dich?«
    Sam Lessing wies Zachary Saulto an: »Bring ihr ein Glas Wasser.«
    Dieser blickte von seinem Laptop auf, sah kurz mit neutraler Miene zu mir herüber und machte sich dann auf den Weg. Ich hörte, wie er im Badezimmer den Wasserhahn aufdrehte.
    »Alles in Ordnung, Jocey?«, erkundigte sich Noah.
    »Anscheinend nicht.« Die Wahrheit, wer ich wirklich war, akzeptierte ich nur ungern. O Jack!, seufzte ich innerlich. Der Verlust meines Bruders tat mir körperlich weh.
    Saulto kehrte zurück. Er hockte sich vor mich und hielt mir ein Glas Wasser hin. »Hier, Jaclyn.«
    »Jocelyn«, korrigierte ich ihn.
    »Jocelyn …

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