Underground
einem Schlag konnten wir den Straßenlärm und die üblichen Alltagsgeräusche hören.
Quinton zog mich hoch und wickelte mich in seinen Mantel. Ich zitterte und rang um Luft, bis ich es schaffte, meinen Schwächeanfall zu überwinden und einen letzten Blick auf das merkwürdige Spielzeug zu werfen.
Grandpa Dan trat darauf zu und hob das Haus in die Höhe. Er faltete es zusammen, bis es wieder ganz flach war. Dann trug er es – gefolgt von der Prozession aus Indianern und Geistern – zum nächsten Feuer, in das er es hineinwarf. Die Flammen loderten weiß, gelb und rot auf. Wir sahen zu, wie das Puppenhaus verbrannte. Die Indianer sangen so lange leise vor sich hin, bis es nur noch ein Häufchen weiße Asche war.
Ich sah mich nach den Tieren um. Doch sie waren verschwunden. Nur ein Hund kam humpelnd auf uns zu. Sein Fell war verdreckt, und er ließ den Kopf hängen.
»Bella?«, rief Quinton.
Der Hund hob den Kopf. Erleichtert wimmernd ließ er sich von Quinton hochheben, und dann brachte Quinton uns beide nach Hause.
EPILOG
I n den folgenden Tagen schlief ich mehr, als ich arbeitete. Mir fiel nicht einmal auf, dass in Seattle wieder die üblichen Wintertemperaturen herrschten und der norma le Alltag zurückgekehrt war. Quinton war noch immer wachsam, was Fern Laguire und Detective Solis betraf. Auch ich war mir nicht sicher, ob wir sie nun endlich los waren.
Fern Laguire war es gelungen, Solis alle Untersuchungen und Nachforschungen hinsichtlich der toten Obdachlosen und irgendwelcher Monster im Kanalsystem zu entreißen. Sie vergrub die Fälle am sichersten Ort der Welt – der staatlichen Bürokratie -, wo sie wohl nie mehr das Licht der Welt erblicken würden.
Solis hatte sich zuerst gegen einen solchen Eingriff gewehrt. Doch dann wurde er von einem Schusswechsel im Zentrum von Seattle abgelenkt und begann sich auf den neuen Fall zu konzentrieren. Zwar vergaß er die seltsamen Todesfälle nicht, aber zumindest für den Moment ließ er sie ruhen – was bedeutete, dass er sich weder um mich noch um den mysteriösen Mr. Lassiter weiter kümmerte, mit dem ich auf einmal überraschend viel Zeit verbrachte.
Trotz der Sorge, dass seine Deckung jeden Moment auffliegen könnte, blieb Quinton in seinem Untergrundzimmer
und in meinem Leben. Nachdem er sich eine Weile liebevoll um mich gekümmert und sowohl mein Appartement als auch mein Büro von Wanzen befreit hatte, verbrachte er zur Abwechslung wieder drei Nächte in seiner eigenen Behausung. Chaos gefiel es, dass Quinton so viel Zeit bei uns verbrachte. Das treulose Tier hängte sich geradezu an ihn und kümmerte sich erst wieder um mich, wenn Quinton nicht da war.
Im Innersten unserer Herzen waren wir beide Einzelgänger, und da Quinton zudem nicht wusste, ob er sich noch immer auf Fern Laguires Radarschirm befand, stand es nie zur Debatte, wie viel wir Zeit bei mir zu Hause verbrachten. Nachdem es mir wieder besser ging, waren wir sowieso viel zu sehr damit beschäftigt, Sisiutls letzte Zombies zu suchen und zu beseitigen.
Quinton behielt Bella eine Weile bei sich. Schließlich übergab er den betrübten und verwaisten Hund jedoch Rosaria Cabrera von den Frauen in Schwarz. Bella wurde ihre ständige Begleiterin. Auch wenn sie weiterhin seltsame Gestalten im Nebel anknurrte und häufig die Ohren spitzte, war sie schon bald eine treue Freundin.
Von Tanker gab es kein Lebenszeichen mehr. Wir wussten nicht, ob er tot oder vielleicht doch irgendwo untergetaucht war.
Ben überlebte Sisiutls Angriff, wenn auch nur knapp. Typisch Ben, war er auf den beinahe tödlich verlaufenen Zusammenstoß mit der unheimlichen Schlangenkreatur ziemlich stolz. Mara hingegen zeigte sich nicht so begeistert und hielt ihrem Mann eine lange Standpauke, indem sie ihm erklärte, wie dumm es von ihm gewesen sei, sich solchen Risiken auszusetzen, während sie noch nicht einmal die Frage mit Albert gelöst hatten. Das Netz mit dem
Geist verschwand irgendwann vom Dach der Danzigers. Aber Mara hüllte sich in Schweigen, was sie damit gemacht hatte.
Nach einer Weile vergab mir Chaos, dass ich nach Monstern gestunken hatte, und begann wieder mit dem Erklettern der Bücherregale, dem Stehlen meiner Schuhe, dem Fressen meines Frühstücks und dem Angriff auf meine nackten Zehen. Eines Tages warf er bei einer seiner Eskapaden die hölzerne Puzzle-Box, die Will mir geschenkt hatte, auf den Boden. Er kicherte siegessicher und begann sie dann durchs Zimmer zu rollen und um sie herumzutanzen.
Weitere Kostenlose Bücher