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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Sylveste brach ab, um das Fenster zu löschen; es gab nichts mehr zu sehen, und der dichte Staubschleier erinnerte ihn nur daran, was vor ihm lag, sobald ihn das Flugzeug abgesetzt hatte. »Nicht dass du glaubst, ich wollte nur einen gemütlichen Plausch mit dir führen, Cal.«
    »Du siehst älter aus, Sohn.«
    »Tja, manche von uns müssen eben weiterhin im entropischen Universum leben.«
    »Autsch. Das hat wehgetan.«
    »Hört ihr bitte auf!«, bat Pascale. »Für dieses kleinliche Hickhack haben wir keine Zeit.«
    »Ich weiß nicht«, widersprach Sylveste. »Fünf Stunden – das sollte doch mehr als genug sein. Was meinst du, Cal?«
    »Wie Recht du hast. Was weiß sie schon?« Cal sah Pascale böse an. »Das ist Tradition, Schätzchen. Es ist unsere Art – wie soll ich sagen? – sich zurückzumelden. Ich würde mir ernsthaft Sorgen machen, wenn er mich auch nur mit einem Funken Herzlichkeit begrüßte. Das hieße nämlich, er hat eine Bitte, die entsetzlich schwierig zu erfüllen ist.«
    »Nein«, sagte Sylveste. »Bei einer entsetzlich schwierigen Bitte würde ich dir nur mit Löschung drohen. Ich habe noch nie etwas von dir gebraucht, was mich verpflichtet hätte, freundlich zu sein, und dazu wird es wohl auch nie kommen.«
    Calvin zwinkerte Pascale zu. »Er hat natürlich Recht. Wie dumm von mir.«
    Er manifestierte in einem aschgrauen Frack mit Stehkragen und einem komplizierten Muster aus goldenen Winkeln auf den Ärmeln. Ein gestiefelter Fuß ruhte auf dem Knie des anderen Beins, die Frackschöße waren wie eine wallende Gardine darüber drapiert. Bart und Schnurrbart waren nicht nur peinlich gepflegt, sondern zu einem Gesamtkunstwerk von solcher Vollendung modelliert, dass es nur durch ein ganzes Heer von eifrigen Barbieren in unermüdlicher Arbeit zu erhalten war. Ein bernsteinfarbenes Daten-Monokel steckte in einem Auge (eine Marotte, denn Calvin war seit seiner Geburt mit Interface-Implantaten ausgestattet), und sein Haar (er trug es jetzt lang) war geölt und zu einem Ring geflochten, der über seinen Hinterkopf hinausragte und erst kurz über dem Nacken wieder zurückgeführt wurde. Sylveste versuchte vergeblich, die Aufmachung einer Stilepoche zuzuordnen. Möglich, dass sie auf einen bestimmten Abschnitt von Calvins Leben auf Yellowstone zurückging, aber ebenso gut konnte die Simulation sie auch neu erfunden haben, um sich die Zeit zu vertreiben, bis alle Programme gebootet waren.
    »Also dann…«
    »Das Flugzeug bringt mich zu Volyova«, sagte Sylveste. »Du kannst dich sicher an sie erinnern?«
    »Wie könnten wir sie vergessen?« Calvin nahm das Monokel heraus und polierte es zerstreut an seinem Ärmel. »Und wie kam es dazu?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Sie hat der Kolonie die Daumenschrauben angesetzt. Die Leute hatten kaum eine andere Wahl, als mich auszuliefern. Und dich gleich mit.«
    »Sie wollte mich haben?«
    »Nun tu nicht so, als wärst du überrascht.«
    »Ich bin nicht überrascht; nur enttäuscht. Und natürlich ist das alles ein bisschen viel auf einmal.« Calvin setzte sich das Monokel wieder ein, sein vergrößertes Auge starrte drohend durch den Bernstein. »Wollte sie uns nur zur Sicherheit alle beide haben, oder hat sie etwas Besonderes mit uns vor?«
    »Wahrscheinlich Letzteres. Was nicht heißen soll, dass sie mir ihre Absichten offenbart hätte.«
    Calvin nickte nachdenklich. »Du hattest also bisher nur mit Volyova zu tun, ja?«
    »Kommt dir das merkwürdig vor?«
    »Ich hätte erwartet, dass unser Freund Sajaki irgendwann seinen Auftritt hat.«
    »Ich auch, aber sie hat sich zu seiner Abwesenheit mit keinem Wort geäußert.« Sylveste zuckte die Achseln. »Spielt es denn eine Rolle? Sie sind doch alle gleich schlimm.«
    »Zugegeben, aber bei Sajaki wussten wir wenigstens, woran wir waren.«
    »Du meinst, wir wussten, dass wir beschissen wurden.«
    Calvin wiegte zweifelnd den Kopf. »Du kannst über den Mann sagen, was immer du willst, er hat zumindest Wort gehalten. Und er – oder wer immer die Zügel in der Hand hat – war immerhin so anständig, dich bis jetzt in Ruhe zu lassen. Wie lange ist es her, seit wir zum letzten Mal auf diesem barbarischen Ungeheuer namens Sehnsucht nach Unendlichkeit waren?«
    »Etwa einhundertdreißig Jahre. Für sie natürlich sehr viel weniger – nach ihrer Zeit sind nur ein paar Jahrzehnte vergangen.«
    »Dann müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen.«
    »Was ist das Schlimmste?«, fragte Pascale.
    »Dass wir«, begann Calvin,

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