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Unendlichkeit

Unendlichkeit

Titel: Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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der länger gelebt hatte als die meisten Menschen in der Geschichte? Mitgefühl hin oder her. Man hätte den Captain schon vor Jahren sterben lassen sollen, jetzt war nicht Brannigans Leiden das größte Verbrechen, sondern das, was seine Besatzung Sylveste zumuten wollte, um es zu lindern.
    Calvin sah das verständlicherweise ganz anders… für ihn war es keine Tortur, sondern eine Chance…
    »Ich war natürlich der Erste«, sagte Calvin. »Damals in meiner körperlichen Existenz.«
    »Der Erste wobei?«
    »Der Erste, der ihm diente. Er war schon damals ein starker Chimäre. Ein Teil der Technik, die ihn zusammenhielt, war noch vor dem Transrationalismus entwickelt worden. Wie alt seine organischen Bestandteile waren, weiß Gott allein.« Er strich sich Bart und Schnurrbart, wie um sich an ihre künstlerische Form zu erinnern. »Das war natürlich vor den Achtzig. Aber ich war schon damals als Forscher bekannt, der die Grenzen der chimärischen Wissenschaften radikal hinauszuschieben suchte. Ich gab mich nicht damit zufrieden, die Techniken aus der Zeit vor dem Transrationalismus Wiederaufleben zu lassen. Ich wollte weitergehen. Ich wollte meinen Vorläufern den Staub von meinen Füßen zu schlucken geben. Ich wollte die Hülle dehnen, bis sie in Fetzen zerriss, um sie dann neu zusammenzunähen.«
    »Genug von dir, Cal«, mahnte Sylveste. »Wir wollten über Brannigan sprechen, weißt du nicht mehr?«
    »So etwas nennt man ›den Schauplatz vorbereiten‹, mein lieber Junge.« Calvin zwinkerte ihm zu. »Wie auch immer. Brannigan war ein extremer Chimäre, und ich war bereit, extreme Eingriffe in Betracht zu ziehen. Als er erkrankte, hatten seine Freunde keine andere Wahl, als sich um meine Dienste zu bemühen. Natürlich alles ganz inoffiziell – sogar für mich war es eine große Abwechslung. Physiologische Veränderungen interessierten mich zunehmend weniger, dafür war ich zunehmend fasziniert – meinetwegen auch besessen – von Neuraltransformationen. Genauer gesagt suchte ich einen Weg, wie man Neuralaktivitäten direkt in…« Er biss sich auf die Unterlippe und brach ab.
    »Brannigan ließ sich von ihm behandeln«, fuhr Sylveste fort. »Im Gegenzug half er ihm, Beziehungen zu einigen der Reichen von Chasm City zu knüpfen; potenziellen Kandidaten für das Achtziger-Programm. Wenn ihm Brannigans Heilung gelungen wäre, hätte die Geschichte damit ihr Ende gefunden. Aber er hat die Sache verpfuscht – er tat nicht mehr als unbedingt nötig, um sich Brannigans Verbündete vom Hals zu halten. Hätte er damals seine Arbeit ordentlich gemacht, dann würden wir jetzt nicht in diesem Schlamassel stecken.«
    »Womit er sagen will«, unterbrach Calvin, »dass die Reparatur des Captains nicht von Dauer war. Bei dieser Art von Chimärismus war es unvermeidlich, dass mit der Zeit ein anderer Teil seines Systems behandlungsbedürftig wurde. Und die Operation, die ich an ihm ausgeführt hatte, war so komplex, dass es buchstäblich niemand anderen gab, an den sie sich hätten wenden können.«
    »Deshalb kamen sie zurück«, sagte Pascale.
    »Diesmal befehligte er das Schiff, das wir gleich besteigen werden.« Sylveste sah die Simulation an. »Cal war tot; die Achtzig hatten in einer öffentlichen Katastrophe geendet. Nur seine Beta-Simulation war noch übrig. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass Sajaki – der sich inzwischen dem Captain angeschlossen hatte – darüber nicht sehr glücklich war. Aber sie fanden trotz allem einen Weg.«
    »Was für einen Weg?«
    »Den Captain von Calvin behandeln zu lassen. Sie stellten fest, dass er durch mich arbeiten konnte. Das Beta-Sim lieferte die Fachkenntnis in chimärischer Chirurgie. Ich lieferte den Körper, mit dem er sich bewegen und die Operation durchführen konnte. Die Ultras nannten den Prozess ›Kanalisierung‹.«
    »Aber dann warst du doch gar nicht unbedingt erforderlich«, sagte Pascale. »So lange sie die Beta-Simulation – oder eine Kopie davon – hatten, konnte doch auch einer von ihnen ›den Körper liefern‹, wie du es so schön ausgedrückt hast?«
    »Nein, obwohl ihnen das wahrscheinlich lieber gewesen wäre; sie waren schließlich nicht gern von mir abhängig. Aber das Verfahren setzt eine große Ähnlichkeit zwischen dem Beta-Sim und der Person voraus, mit der es arbeitet. Der eine muss in den anderen hineinschlüpfen können wie in einen Handschuh. Bei mir und Calvin hat es funktioniert, weil er mein Vater ist; wir haben viele genetische

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