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Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Titel: Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mojtaba Milad; Sadinam Masoud; Sadinam Sadinam
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erkläre es euch gleich. Hab Geduld.«
    Wir nahmen an der weißen Wand Platz, der Mann fotografierte uns einige Male, packte dann zügig seine Sachen und wurde von Madar hinausbegleitet.
    Ich schaute Milad und Masoud, die auf dem Boden kauerten, erwartungsvoll an. » Batscheha , ihr sitzt da, als wäre nichts passiert!« Vergeblich wartete ich auf eine Antwort. Meine Brüder starrten regungslos ins Leere und das brachte mich noch mehr auf. Es hatte keinen Sinn, nur Madar konnte meine Fragen beantworten. Ich ging in den Flur und wollte meine Schuhe anziehen, als sie wieder hereinkam und mich zurück ins Zimmer führte. Da verlor ich die Geduld: »Du behandelst uns wie Säuglinge. Die zwei sagen zwar nichts, aber wir alle wollen wissen, warum wir hier sind!«
    »Das habe ich euch schon erklärt.«
    »Nein, du hast nur einen Satz gesagt. Das reicht uns nicht!«
    Madar seufzte schwer, aber ich ließ nicht locker: »Das reicht uns nicht, um zu akzeptieren, dass wir so lange unsere Freunde nicht sehen dürfen. Dass nicht einmal Pedar, Mamani und Babai uns besuchen dürfen. Was macht Farroch jetzt? Was hat er gestern gemacht? Hat ihm irgendjemand Bescheid gesagt, dass wir noch am Leben sind? Wieso sagst du uns nicht, was passiert ist?«
    »Im Moment kann ich euch nicht mehr sagen. Das ist besser für uns alle. Ihr werdet das bald verstehen.«
    »Aber vorhin, als dieser Mann da war, hast du es mir versprochen!« Madar zögerte. Ich schnappte heftig nach Luft, als hätte ich in den letzten Minuten vergessen zu atmen.
    » Asisanam «, sie senkte ihre Stimme, »dieses Land ist nicht gut für euch.«
    »Was meinst du damit?«
    »Der Mann hat uns fotografiert, weil wir neue Pässe brauchen. Wir verlassen den Iran.«
    Ich verstummte. Mein gesamter Körper schien abrupt eingefroren zu sein, nur mein Herz pochte. Masoud, Milad und ich starrten Madar mit großen Augen an. Sie konnte das nicht so gemeint haben.
    »Wir sollen den Iran verlassen?«, wiederholte Masoud vorsichtig.
    »Ja, wir müssen leider.«
    »Wieso müssen wir das?«, protestierte ich.
    »Weil dieses Regime unser Leben zerstört.«
    »Meins nicht!«
    »Mojtaba jan , das ist nicht richtig. Außerdem seid ihr noch klein. Wartet nur ab, bis ihr mit der Grundschule fertig seid und auf die neue Schule kommt.«
    Masoud stand auf. »Glaubst du, sie werden uns wie Da-i Ali behandeln?« Da-i Ali war Madars Bruder und nur acht Jahre älter als wir. Ich wusste nicht, worauf Masoud hinauswollte und hakte nach: »Was haben sie mit ihm gemacht?«
    »Erinnerst du dich nicht mehr, als er eines Tages weinend nach Hause kam? Sein Lehrer hatte ihm während der Pause vor allen anderen die Kopfhaare an einigen Stellen kahlrasiert. Der Lehrer war der Meinung, seine Frisur sei zu modern.«
    »Und ich musste ihm am Ende eine Glatze scheren«, ergänzte Madar. »Aber das ist nicht alles. Ihr werdet bald mit Mädchen Kontakt haben wollen und die Mollas verbieten es euch. Ihr werdet keine T-Shirts tragen dürfen und man verlangt einen Vollbart, wenn ihr euch für einen guten Job bewerbt. Kinder von einem Molla werden euch gegenüber bevorzugt werden. Und ihr dürft ihnen nicht widersprechen, sonst erwarten euch Peitschenschläge und Gefängnis.«
    »Aber wir können doch nicht alle zurücklassen. Wir kennen ja sonst niemanden!«, antwortete ich und spürte, wie sich meine Wut in Traurigkeit verwandelte.
    »Pedar wird uns so schnell wie möglich nachreisen. Die anderen können euch im Ausland besuchen kommen.« Es wurde ruhig. Madar setzte sich genau an der Stelle, wo sie gestanden hatte, auf den Boden und streifte sich das Kopftuch vom Kopf. Sie wirkte sehr müde und plötzlich fühlte ich mich schlecht. Ich war kurz davor, mich zu ihr zu setzen, aber Masoud unterbrach mich: »Wo ist Milad eigentlich?«
    Ich schaute mich um. »Er war doch gerade noch hier«, sagte ich mit hochgezogenen Schultern und zeigte auf die Stelle, wo er gesessen hatte.
    Madar sprang auf, ging ans Fenster und blickte nach dem Metalltor. »Kommt mit!« Rasch verließ sie das Zimmer.
    Wir suchten gemeinsam das ganze Haus ab und fanden Milad schließlich in der Werkstatt: Er hockte in einer dunklen Ecke und zeichnete an seiner Skizze für die Sitze der Tschar-tscharche weiter.
    Wieder waren einige Tage verstrichen und wir harrten noch immer in unserem Versteck aus. Dass wir aus dem Iran fliehen würden, stand mittlerweile außer Frage, doch niemand wusste, wann genau es passieren würde. Sobald die gefälschten Papiere

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