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Unfassbar für uns alle

Unfassbar für uns alle

Titel: Unfassbar für uns alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst (-ky) Bosetzky
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man den an Luise Tschupsch dazu, sind es sogar zwei perfekte Morde.»
    Der Kollege hob sein Glas. «Trinken wir auf das, was nicht ganz so perfekt ist – auf uns!»
    Ich sehnte mich danach, S-Bahn-Fahrer zu sein. 20.20 Oranienburg, 20.41 Frohnau, 21.01 Gesundbrunnen, 21.10 Friedrichstraße, 21.48 Wannsee. Die absolute Sicherheit, ans Ziel zu gelangen. Nichts war hier falsch zu machen, nichts war völlig unberechenbar. Was ich wollte, erreichte ich auch.
    «Herr Mannhardt, Besuch für Sie.»
    Ich fuhr herum. Es war Hannelore Viebak, Svens Mutter.
    «Können wir mal einen Augenblick alleine...?»
    «Ja, kommen Sie bitte...»
    Ich hatte das mulmige Gefühl, in einen Operationssaal gebracht zu werden. Sie roch noch sehr nach Krankenhaus. An ihrer Seite schrumpfte ich zu Kindergartengröße zusammen. ‹Komm, Hans-Jürgen, gib der Tante die Hand.› Gott, das Kind in mir rumorte wieder. Wortlos gingen wir den Flur hinunter. Ein anderes Bild stieg auf. Ich hatte das Gefühl, einer Prostituierten auf ihr Zimmer zu folgen. Sie trug hochhackige Stiefel und einen für diesen Winter viel zu kurzen Rock. Wie Luise Tschupsch... Kaum waren wir in Koppatz’ Zimmer und ich hatte die Tür hinter mir geschlossen, legte sie los.
    «Daß Sie meinen Sohn in diese ENTER-EINS-Sendung geschleppt haben...!» Damit ließ sie sich in Koppatz’ Sessel fallen und schlug die Beine übereinander.
    Ich starrte aus dem Fenster, um nicht pausenlos an das Eine zu denken. «Es war sein Wille, der Großinquisitor hat ihn kaum überreden müssen.»
    «Mir hat er nichts davon erzählt.»
    Ich fixierte ihre Augen. «Das ist doch ein Stück beachtenswerter Emanzipation von Ihnen...»
    Sie steckte sich eine Zigarette an. «Ich hab die Aufzeichnung der Sendung gesehen...»
    «Und...?»
    «Sven muß dringend in psychiatrische Behandlung.»
    «Das sagen Sie...?»
    «Dieser Großinquisitor... ich hätte ihn umbringen können, aber seine Analyse... mir ist es wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich bin wirklich schuld an allem.»
    Ihre Souveränität imponierte mir, wie sie das so sagte, ohne jede Larmoyanz. «Ich kann Ihnen die Nummer des psychiatrischen Notdienstes geben...»
    «Er wir nicht hingehen...» Sie drückte ihre Zigarette wieder aus. «Und es gibt nichts, was ihn hinbringen könnte... außer Sie sorgen dafür...»
    «Ich? Wie denn?»
    «Indem Sie ihn festnehmen... wegen des Mordes an Luise Tschupsch... daß er keine zweite Tat mehr begehen kann.»
    Das paßte mir nun gar nicht ins Konzept. Ich war mir ja sicher, daß Schwermer und der Caccia-Clan die Tschupsch wie auch Woerzke ermordet hatten.
    «Um ganz offen zu sein, Frau Viebak: mit unserer kriminalistischen Kunst sind wir schon lange am Ende. Ihr Sohn ist mit unseren Erkenntnissen und unseren Mitteln nicht zu fassen. Das einzige, was da noch ginge, wäre sein Geständnis.»
    «Ich weiß, daß er es getan hat.»
    «Warum wollen Sie, daß er...?»
    Sie stand auf. «Um eine zweite Tat zu verhindern, um ihm zu helfen, um ihn zu heilen...»
    «Von seiner Mutter zu heilen?»
    «Ja, auch von seiner Mutter. Nehmen Sie zu Protokoll, daß er eine zweite Waffe gehabt hat, daß das nicht die Tatwaffe gewesen ist, die man bei ihm gefunden hat.»
    «Gut, aber...»
    «Helfen Sie ihm, helfen Sie mir!»

49. Szene
Café «rost», Knesebeckstraße
    Friedhelm Rott faßte sich an den Kopf. «Ich bin zwar Schauspieler und zu jeder Schandtat bereit... aber nee, du...»
    Ich bestellte ihm den dritten ‹ Batida de Coco›. Danach war er süchtig. «Du hast aber nun mal ’ne unheimliche Ähnlichkeit mit meinem Waldemar von Woerzke.»
    «Das ist doch hirnrissig. Wer fällt denn auf so was rein?»
    «Sie ist Amerikanerin und ziemlich naiv.»
    Friedhelm Rott wartete auf seine Kokosmilch mit Alkohol. «Wenn ihr wenigstens ’ne Kamera dabei hättet.»
    «Wenn es klappt, fällt genügend PR für dich ab.»
    «Und wenn es nicht klappt, bin ich ’ne Leiche.»
    «Dann wiederholen sie wenigstens alle Filme mit dir.»
    «Du...» Er sah mich prüfend an. «Wenn du das wirklich alles aufschreiben willst, laß es lieber: das liegt doch weit außerhalb des Trends. True crime, mein Lieber, ist derzeit angesagt, furztrockenes Nacherzählen der furztrockenen Wirklichkeit. Nicht mehr: der Kriminalroman als modernes Märchen. Nicht vital und spielerisch, sondern total verernstet – Hochliteratur, haha! Kein Schuß Phantasie, sondern nur der Schuß aus der Smith & Wesson. Realismus als Ersatz für schriftstellerische

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