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Ungeahnte Nebenwirkungen

Ungeahnte Nebenwirkungen

Titel: Ungeahnte Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Pearl
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dann kaum mehr daraus zu befreien vermochte, musste jeden Satz mindestens viermal lesen, bis sie dessen Sinn verstand. Sie seufzte und legte das Buch wieder aus der Hand.
    Ihr gereiztes Zahnfleisch hatte sich etwas beruhigt, doch wahrscheinlich würde Nicole aufgrund ihres Tablettenkonsums inzwischen als akut suchtgefährdet eingestuft. Nebst Schmerztabletten waren heute Nacht auch Schlaftabletten dazugekommen. Sie hatten nicht geholfen. Die ganze Nacht hatte sich Nicole von einer Seite auf die andere gewälzt.
    Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie sinnliche Lippen auf sich zukommen. Sie spürte, wie die Sehnsucht ihr Herz schneller schlagen ließ. Dann stöhnte sie auf und fühlte, wie etwas in ihr in Bewegung geriet. Und jedes Mal verschwanden die Lippen und das warme Gefühl, das sie in ihr auslösten, unvermittelt. Die Kälte, die sie empfand, wenn sie die Augen aufschlug, ließ sie frösteln. Sie hatte versucht, sich zu entspannen, doch diesmal gelang es nicht. Die blauen Augen schauten sie an, fragten, forderten, doch Nicole verstand nicht, was.
    Nicoles Nervosität wuchs mit jedem Tag. Der Termin für die dritte Konsultation bei Dr. med. dent. Mirjam Schiesser rückte unaufhaltsam näher. Einerseits fieberte sie dem Wiedersehen ungeduldig entgegen, freute sich und wünschte sich, die Zeit würde schneller vergehen. Andererseits aber fühlte sie in sich einen Kloß, der mit jedem Tag größer zu werden schien. Die Unsicherheit hatte von der Geschäftsfrau Besitz ergriffen. Sie war unkonzentriert, ungeduldig und Helen gegenüber auch ungerecht, doch so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte nicht zu ihrer ansonsten typischen Gelassenheit zurückfinden, die ihr schon über manche schwierige Situation hinweggeholfen hatte. Diesmal schien es kein Rezept zu geben, um die sich widersprechenden Gefühle in ihr zum Schweigen zu bringen.
    Immer wieder ließ sie den Kuss vor ihrem inneren Auge ablaufen. Sie hat es darauf angelegt, sagte sich Nicole. Wieso hätte sie sonst ihrer Patientin einen solch tiefen Einblick unter die Bluse ermöglichen sollen? Sie hat es provoziert, denn Nicole hatte beobachtet, wie sich Mirjams Kittel wie von Zauberhand schloss, wenn eine Drittperson oder ein anderer Patient auftauchte.
    Aber beim ersten Mal, überlegte Nicole, da waren auch drei Knöpfe der Bluse geöffnet, obwohl die Frau unmöglich wissen konnte, dass Nicole sofort Feuer fangen würde. Machte sie das bei allen weiblichen Patienten so? fragte sich Nicole ziemlich irritiert. Das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, denn Mirjam schien eine eher zurückhaltende Person zu sein, die vor allem in ihrem Beruf absolut integer agierte – meistens! Bis auf die Behandlung von Nicoles Weisheitszähnen. Da war der Begriff professionell ziemlich fehl am Platze. Aber wieso bei mir? Nicole seufzte. Irgendwie schien sie von einer Sackgasse in die andere zu rennen. Das Verhalten der Zahnärztin machte keinen Sinn.
    Die Türglocke riss Nicole aus ihren Gedanken. Sie hatte sich gerade ihrer Post zugewandt und wollte endlich wieder einmal reinen Tisch machen. Erstaunt blickte sie zur Uhr. Neun vorbei. Wer konnte das sein? Sie erwartete niemanden, deshalb ging sie mit einem etwas mulmigen Gefühl zur Tür. Wer weiß, welche düsteren Gestalten um diese Zeit Einlass begehrten. Einen Moment lang geriet Nicole in Versuchung, ein Küchenmesser zur Selbstverteidigung aus dem Messerblock in der Küche zu holen. Sie verwarf den Vorsatz und spähte statt dessen vorsichtig durch den Türspion.
    Nicoles Herz sackte in ihre Hausschuhe. Vor der Wohnungstür stand Mirjam.
    Ohne zu überlegen, drehte Nicole den Schlüssel und öffnete die Tür.
    »Dr. Schiesser?« fragte sie fassungslos.
    Die Angesprochene reagierte nicht. Sie blickte Nicole nur an, irgendwie verloren, so schien es. Nicole öffnete die Tür noch weiter und bat den späten Gast mit einer Handbewegung in die Wohnung. Mirjam ging an Nicole vorbei und setzte sich im Wohnzimmer unaufgefordert in einen Sessel.
    »Was . . .« Nicole fand in ihrem leergefegten Kopf keine weiteren Worte.
    Sie betrachtete die Frau vor sich. Sie trug eine dunkelblaue Jeans und ein schwarzes Hemd, ein eher ungewohnter Anblick nach dem üblichen weißen Kittel.
    Die blauen Augen verschlangen Nicole. Die Raumtemperatur stieg. Sie hätte jedes Thermometer zum Explodieren gebracht. Wenn nicht bald etwas passierte, würde Nicole ersticken.
    Mirjam stand auf. Sie wird doch jetzt nicht gehen

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