Ungeduld des Herzens.
Kasernenhofblüten ältester und neuester Fechsung, aber – ich bin selbstdarüber erstaunt – sie amüsieren die beiden Mädels unbändig, beide lachen ununterbrochen. Ediths Lachen klingt besonders übermütig mit seinem hohen silbrigen Ton, der im scharfen Diskant manchmal leicht überschlägt, aber die Lustigkeit muß bei ihr wirklich und ehrlich von innen kommen, denn die porzellanen dünne und durchsichtige Haut ihrer Wangen zeigt immer lebhaftere Tönung, ein Hauch von Gesundheit und sogar Hübschheit erhellt ihr Gesicht, und ihre grauen Augen, sonst etwas stählern und scharf, funkeln von einer kindlichen Freude. Gut ist es, sie anzusehen, solange sie ihren gefesselten Körper vergißt, denn freier und immer freier werden dadurch ihre Bewegungen, lockerer ihre Gesten; völlig unbefangen lehnt sie sich zurück, sie lacht, sie trinkt, sie zieht Ilona an sich heran und legt ihr den Arm um die Schulter; wirklich, die beiden amüsieren sich mit meinen Kinkerlitzchen ganz famos. Erfolg im Erzählen hat nun immer etwas Anfeuerndes für den Erzähler; eine Menge Geschichten fallen mir ein, die ich längst vergessen hatte. Sonst eher ängstlich und verlegen, finde ich einen mir ganz neuen Mut: ich lache mit und mache sie lachen. Wie übermütige Kinder kuscheln wir drei uns in der Ecke zusammen.
Und doch, während ich so ununterbrochen spaße und ganz eingetan scheine in unseren munteren Kreis, spüre ich gleichzeitig halb unbewußt, halb bewußt einen Blick, der mich beobachtet. Er kommt über ein Brillenglas, dieser Blick, er kommt herüber vom Kartentisch, und es ist ein warmer, ein glücklicher Blick, der mein eigenes Glücklichsein noch steigert. Ganz heimlich (ich glaube, er schämt sich vor den andern), ganz vorsichtig schielt der alte Mann von Zeit zu Zeit über seine Karten zu uns herüber, und einmal, da ich seinen Blick auffange, nickt er mir vertraulich zu. Sein Gesicht hat in diesem Augenblick den gesammelten, spiegelnden Glanz eines, der Musik hört.
Das dauert beinahe bis Mitternacht; nicht ein einzigesmal kommt unser Plaudern ins Stocken. Noch einmal wird etwas Gutes serviert, wunderbare Sandwiches, und merkwürdigerweise bin ich es nicht allein, der fest zugreift. Auch die beiden Mädchen packen kräftig ein, auch sie trinken ausgiebigst von dem schönen, schweren, schwarzen, alten englischen Port. Aber schließlich muß doch Abschied genommen werden. Wie einem alten Freunde, einem lieben, verläßlichen Kameraden, schütteln Edith und Ilona mir die Hand. Selbstverständlich muß ich ihnen versprechen, bald zu kommen, morgen schon oder übermorgen. Und dann gehe ich mit den drei andern Herren hinaus in die Halle. Das Auto soll uns nach Hause bringen. Ich hole mir selbst meinen Rock, indes der Diener beschäftigt ist, dem Oberstleutnant behilflich zu sein. Plötzlich spüre ich, wie mir jemand beim Umschwingen des Rocks helfen will: es ist Herr von Kekesfalva, und während ich ganz erschrocken abwehre (wie kann ich mich von ihm bedienen lassen, ich grüner Junge von dem alten Herrn?), drängt er flüsternd heran.
»Herr Leutnant«, raunt mir der alte Mann ganz scheu zu. »Ach Herr Leutnant, Sie wissen gar nicht. Sie können's sich nicht denken, wie mich das glücklich gemacht hat, das Kind wieder einmal richtig lachen zu hören. Sie hat ja sonst gar keine Freude. Und heute war sie beinah wie früher, wenn ...«
In diesem Augenblick tritt der Oberstleutnant auf uns zu. »Na, gehn wir?« lächelt er mich freundlich an. Selbstverständlich wagt Kekesfalva nicht, vor ihm weiterzusprechen, aber ich spüre, wie plötzlich die Hand des alten Mannes mir über den Ärmel streift, ganz, ganz leise und schüchtern über den Ärmel streift, so wie man ein Kind liebkost oder eine Frau. Eine unermeßliche Zärtlichkeit, unermeßliche Dankbarkeit liegt gerade im Verstecktenund Verdeckten dieser scheuen Berührung; so viel Glück und so viel Verzweiflung fühle ich darin, daß ich abermals ganz erschüttert bin, und während ich militärisch respektvoll neben dem Herrn Oberstleutnant zum Auto die drei Stufen hinabschreite, muß ich mich gut zusammenhalten, damit niemand meine Benommenheit bemerkt.
Ich konnte nicht gleich schlafen gehen an jenem Abend, ich war zu erregt. So winzig der Anlaß sich auch, von außen gesehen, darstellen mochte – es war doch schließlich nichts Weiteres geschehen, als daß ein alter Mann mir zärtlich den Ärmel gestreichelt hatte – diese eine verhaltene Geste inbrünstigen
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